
300 Millionen und nur Probleme: Bundesrat Pfister korrigiert das Drohnen-Debakel
Bei der Beschaffung von sechs israelischen Aufklärungsdrohnen Hermes 900 gebe es «schon seit Jahren grosse Probleme», sagte Verteidigungsminister Martin Pfister Anfang Juli in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Und betonte: «Nun sind wir definitiv an einem Punkt angelangt, wo wir uns überlegen müssen, ob sie sich überhaupt noch realisieren lässt.»
Das Verteidigungsdepartement VBS diskutierte intern zwei Optionen: Abbruch der Beschaffung? Oder der Verzicht auf gewisse Funktionen der Drohnen?
Der Prüfprozess ging inzwischen über die Bühne – und VBS-Vorsteher Pfister fällte seinen Entscheid. Er hält am Kauf fest. Aber er verzichtet auf massgebliche Funktionen. Die «zentralen Fähigkeiten wie die Aufklärung mit langer Verweildauer in der Luft» bleiben aber sichergestellt, betont das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) in einer Mitteilung.
Auf welche Funktionen für die Drohnen verzichtet das VBS genau – mit welchen Folgen?
Verzicht 1: Automatisches AusweichsystemDas automatische Ausweichsystem «Detect and Avoid» sollte von der Ruag entwickelt werden. Der Verzicht auf das System führt zu Einschränkungen im Flugbetrieb der Drohne tagsüber und in gewissen Lufträumen, wie Armasuisse schreibt. Die Drohne muss tagsüber im unkontrollierten Luftbetrieb von einem Begleitflugzeug flankiert werden. Das gilt bis zu einer Flughöhe von 3000 Metern über dem Flachland und bis zu 4000 Metern über dem Alpengebiet. Keine Einschränkungen gibt es im kontrollierten Luftraum und innerhalb von Sperrzonen. Da braucht es auch kein Begleitflugzeug. In der Nacht kann die Drohne überall ohne Begleitflugzeug eingesetzt werden.
Verzicht 2: Kein GPS-unabhängiges Start- und LandesystemDas VBS lässt das GPS-unabhängige Start- und Landesystem sein. Damit wird Bodennebel für die Drohnen zum Problem. Sie können nicht mehr fliegen, sobald die Sicht zu stark eingeschränkt ist.
Verzicht 3: Das Enteisungs-System entfälltDas VBS verzichtet auch auf das Enteisungssystem. Das hat zur Folge, dass Drohnenflüge nicht mehr möglich sind, sobald die Temperaturen auf unter null Grad fallen und die Bildung von Eis droht.
Trotz der eingeschränkten Funktionalität deckten die sechs Drohnen ein breites militärisches und ziviles Einsatzspektrum ab, betont Armasuisse in der Mitteilung. Militärisch könnten sie bei erhöhten Spannungen oder hybriden Konfliktformen Aufklärung leisten über Truppen, Standorte oder truppenleere Räume. Damit könnten sie Armeeeinsätze unterstützen.
Im Alltag seien die Drohnen für Ausbildungszwecke und zur Überwachung von Armeestandorten wichtig. Zivil könnten sie Behörden in Katastrophenfällen unterstützen. Das israelische Drohnensystem stehe zudem auch dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG zur Verfügung, dem Nachrichtendienst des Bundes NDB und dem Bundesamt für Polizei (Fedpol). Die Drohne solle auch als Plattform für Weiterentwicklungen genutzt werden – zum Beispiel bei neuen Sensoren für die elektronische Aufklärung.
Die grosse Angst vor weiteren Problemen
In seiner Medienmitteilung lässt Armasuisse aber auch Befürchtungen durchblicken, es könnte bei der Beschaffung des Drohnensystems zu zusätzlichen Verzögerungen kommen. Es bestünden weiterhin technische Risiken bei der Software und der Steuerung, heisst es. Und: «Es ist nicht auszuschliessen, dass die Lieferantin weitere Meilensteine nicht erreicht.»
Vor allem aber gibt es Probleme mit der Zulassung. Die Herstellerin Elbit konnte bislang nicht nachweisen, dass alle an die Schweiz gelieferten Drohnen designkonform gefertigt worden sind. Damit fehlt die nötige Dokumentation für eine uneingeschränkte Zulassung. Die Militärluftfahrtbehörde hat deshalb Auflagen für einen sicheren Flugbetrieb festgelegt: vorgeschrieben wird ein Notfallschirm, es muss eine Mindestflughöhe eingehalten werden, es müssen Notlandepunkte erreicht werden können und eine lange Verweildauer über sehr dicht bewohntem Gebiet soll vermieden werden.
Zwar hat Elbit gemäss Armasuisse substanzielle Zugeständnisse in Aussicht gestellt als Kompensation für den Verzicht von drei wichtigen Funktionen. So will das Unternehmen etwa die Fixkosten des Servicevertrags für bis zu acht Jahre übernehmen.
Nicht von der Hand zu weisen scheint, dass es vor allem die rechtlichen Probleme waren, die Bundesrat Pfister davon abhielten, die Drohnenbeschaffung abzubrechen. Es wäre unsicher gewesen, ob die Schweiz bei einem Abbruch die bisherigen Investitionen von rund 240 Millionen Franken (von total 298 Millionen) oder Teile davon von Elbit hätte zurückfordern können, schreibt Armasuisse. Und hält fest: «Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies in langwierigen Rechtsstreitigkeiten mit der Herstellerfirma Elbit geklärt werden müsste, wobei Elbit allenfalls die ihrerseits bereits getätigten Investitionen zurückfordern würde.»