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Bundesrat nimmt Zügel wieder in die Hand: An Weihnachten soll Zertifikatspflicht für alle gelten

Es ist keine zehn Tag her, da hielt der Bundesrat eine Verschärfung von nationalen Massnahmen noch für unnötig. Stattdessen nahm er an seiner Pressekonferenz vergangene Woche die Kantone in die Pflicht. Und hielt sie an, aufgrund der lokal unterschiedlichen Situationen kantonale Massnahmen zu ergreifen. Einige haben die Weisungen des Bundesrates befolgt und die Regelungen auf Kantonsebene verschärft.

Den anderen kommt der Bundesrat nun zuvor: Nach einer Krisensitzung traten am späten Dienstagnachmittag Gesundheitsminister Alain Berset und Bundespräsident Guy Parmelin vor die Medien – und verkündeten die vorgesehenen Verschärfungen. Diese befinden sich bis heute Abend in Konsultation bei den Kantonen, Parlaments-Kommissionen und Sozialpartnern. Getraut sich der Bundesrat nach seinem Erfolg am Abstimmungssonntag wieder, die Zügel in die Hand zu nehmen? Oder hat ihn tatsächlich die neue Virusvariante Omikron dazu veranlasst, weitere nationale Massnahmen einzuführen? Eine Annäherung.

Die epidemiologische Lage

Die Infektionszahlen steigen von Tag zu Tag leicht an. Am Dienstag meldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 8422 Neuinfektionen, das entspricht täglich mehr als 100 Infektionen pro 100’000 Einwohner. Zudem wurden 138 Personen neue Hospitalisationen sowie 22 neue Todesfälle vermeldet.

Zusätzlich zur bestehenden hohen Viruszirkulation der Delta-Variante ist seit vergangenem Freitag auch die neu entdeckte Variante Omikron ein Thema. Diese wurde mittlerweile bereits in etlichen Ländern nachgewiesen. Wie das BAG mitteilte, sind auch in der Schweiz bereits zwei bestätigte Fälle der Omikron-Variante aufgetaucht. Da diese neue Virusvariante viele Mutationen aufweist und noch beinahe unerforscht ist, hat die Regierung dieser Tage Reisebeschränkungen für Länder erlassen, in denen die neue Variante bereits nachgewiesen wurde.

Berset sprach an der Pressekonferenz von einer «ungünstigen Entwicklung» der Lage: «Wir wissen noch sehr wenig von dieser Mutation, aber sie scheint sehr ansteckend zu sein.» Der Bundesrat habe grossen Respekt davor. «Einmal mehr zeigt sich, dass sich die Realität sehr rasch ändern kann», so Berset weiter.

Das Ziel der Regierung sei nach wie vor, einen Winter ohne Schliessungen zu ermöglichen. Um dies zu bewerkstelligen, wolle der Bundesrat keine wertvolle Zeit verstreichen lassen, so Bundespräsident Parmelin.

«Wir müssen jetzt handeln und nationale Massnahmen ergreifen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.»

Nebst den bereits geltenden Hygiene- und Abstandsvorschriften sowie der Zertifikatspflicht bei Anlässen, hat der Bundesrat am Dienstag eine Konsultation für weitere Massnahmen gestartet.

Berset und Parmelin nach der Krisensitzung des Bundesrates auf dem Weg ins Medienzentrum.
Berset und Parmelin nach der Krisensitzung des Bundesrates auf dem Weg ins Medienzentrum.Bild: Peter Klaunzer / Keystone

Die geplanten Massnahmen

Um die Zirkulation der Delta-Variante zu reduzieren und die Ausbreitung der Omikron-Variante zu verlangsamen, soll die Zertifikatspflicht auf alle öffentlich zugänglichen Veranstaltungen in Innenräumen ausgeweitet werden.

Zudem sollen auch sportliche und kulturelle Aktivitäten von Laien nur noch mit Zertifikatspflicht durchgeführt werden können. Und auch bei privaten Treffen im Familien- und Freundeskreis in Innenbereichen soll künftig ab elf Personen die Zertifikatspflicht gelten. Das Familienfest unter dem Weihnachtsbaum könnte damit nur noch mit Zertifikat durchgeführt werden.

Auch will der Bundesrat für alle Innenbereiche von Betrieben und Einrichtungen, die öffentlich zugänglich sind, die Maskenpflicht wieder einführen. Dort, wo das nicht möglich ist – beispielsweise in den Restaurants – soll eine Sitzpflicht für die Konsumation gelten, oder die Kontaktdaten müssen erhoben werden.

Weiter will die Regierung die Kantone verpflichten, auf allen Schulstufen repetitive Tests anzubieten. Gesundheitsminister Berset sagte, die Kantone hätten diesen Vorschlag zu beurteilen. Klar sei:

«Die Kantone haben deutlich gesagt, dass sie sich wünschen, dass der Bund mehr macht. Dieses Bedürfnis nehmen wir ernst.»

Und auch am Arbeitsplatz sieht der Bundesrat Massnahmen vor: Er unterbreitet den Kantonen drei Varianten. Der erste Vorschlag sieht eine Maskenpflicht für alle Mitarbeitenden in Innenräumen vor, der zweite Vorschlag zielt auf eine Homeofficepflicht für Personen ab, die weder geimpft noch genesen sind. Und der dritte Vorschlag umfasst eine generelle Homeofficepflicht sowie die Verpflichtung der Arbeitgeber, repetitive Tests anzubieten.

Zudem zieht der Bundesrat die Schraube bei den Testzertifikaten an: PCR-Tests sollen nur noch 48, Antigen-Schnelltests nur noch 24 Stunden gültig sein.

Die vorgeschlagenen Massnahmen befinden sich nun in der Konsultation. Über deren Einführung entscheidet die Regierung frühestens am Freitag. In Kraft treten werden diese also nicht vor dem Wochenende.

Die ersten Reaktionen

Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Gesundheitsdirektoren (GDK) begrüsst es, dass der Bundesrat auf nationaler Ebene weitere Massnahmen zur Diskussion stellt. Die GDK sieht Handlungsbedarf, «um eine Überlastung der Intensivstationen zu verhindern», wie Sprecher Tobias Bär sagt. Viele Kantone hätten in den letzten Tagen ihre Schutzmassnahmen verstärkt. Zudem ermunterte die GDK den Bundesrat erst vor kurzem zu nationalen Verschärfungen.

Derweil zeigt sich der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf, der selber Verschärfungen plante, befremdet über «die Kommunikation des Bundes und den Umgang mit den Kantonen». Der Bundesrat habe sich in den vergangenen Tagen mehrfach geweigert, Massnahmen zu ergreifen und immer wieder die Kantone in die Pflicht genommen. Nun habe er doch kurzfristig konkrete Massnahmen vorgeschlagen und die Kantone gebeten, innert 24 Stunden dazu Stellung zu nehmen.

Mit dem Vorschlag, repetitive Massentests an der Volksschule für obligatorisch zu erklären, greift der Bund in die Hoheit der Kantone ein. Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) nahm am Dienstagabend keine Stellung zur laufenden Konsultation. Jüngst aber hatte die Zürcher Regierungsrätin und EDK-Präsidentin Silvia Steiner wiederholt betont, es sei gut, dass die Entscheidungen an den Schulen in den Händen der Kantone lägen.

Economiesuisse und der Arbeitgeberverband sprechen sich gegen eine Homeofficepflicht aus. Und falls Verschärfungen wegen möglicher Engpässe in Spitälern nötig würden, plädiert der Arbeitgeberverband für die Maskenpflicht in Innenräumen.