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Brüssel beendet den Sonderfall: Schweiz kommt mit Grossbritannien und den EWR-Staaten in denselben Topf

Die EU-Kommission organisiert die Beziehungen zu westeuropäischen Partnerstaaten neu und will die Schweiz künftig gemeinsam mit Grossbritannien und den EWR-Staaten denken. Was technisch tönt, könnte politische Konsequenzen haben.

Nach dem Abschluss der bilateralen Verträge war die Schweiz für die EU 30 Jahre lang ein Sonderfall. Weder EU-Mitglied noch Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), aber trotzdem irgendwie Teil des gemeinsamen Binnenmarktes.

Dieser Sonderstatus hatte gewisse Konsequenzen, vor allem in organisatorischer Hinsicht: Niemand schien sich in Brüssel so richtig verantwortlich zu fühlen. Die Schweiz fiel zwischen alle Bänke und im Zweifel kümmerte sich der EU-Kommissionspräsident halt selbst um das Dossier. Zumindest bis im letzten Frühling, als der Bundesrat nach Jahren des Hickhacks den Verhandlungen zum Rahmenabkommen endgültig den Stecker zog.

Unter dem Radar fliegen wird jetzt schwieriger

Jetzt, wo klar ist, dass es mit dem Rahmenabkommen nichts mehr wird, setzt die EU-Kommission zu einer Flurbereinigung an. Ab 1. Januar wird die Schweiz zusammen mit dem Vereinigten Königreich, den EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein sowie den Zwergstaaten Andorra, San Marino und Monaco in einer eigenen Abteilung namens «Westeuropäische Partner» zusammengefasst. Angesiedelt ist die Abteilung nicht etwa beim «EU-Aussenministerium» des Aussenbeauftragten Josep Borrell. Sondern direkt beim mächtigen Generalsekretariat der EU-Kommission, wie ein EU-Sprecher auf Anfrage von CH Media bestätigt.

Was nach einer rein technischen Umstrukturierung klingt, hat womöglich politische Konsequenzen. In Bern war man immer sehr erpicht, möglichst nicht in denselben Topf mit den Briten geworfen zu werden. Immerhin akzeptiert man im Gegensatz zum Vereinigten Königreich die Personenfreizügigkeit und will sich auch nicht von der EU abwenden, sondern in der Tendenz eher annähern. Auf Distanz blieb man gleichzeitig zum EWR nach der gescheiterten Beitrittsabstimmung von 1992. Der Schweizer Sonderfall, er hat für den Bundesrat gerade in den Beziehungen zur EU immer gut funktioniert. Oftmals schaffte man es, unter dem Radar fliegen zu können und sich den einen oder anderen Vorteil zu bewahren.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker trifft 2017 in Bern eine Delegation des Bundesrats. Zu seiner Linken: Hauptberater Richard Szostak.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker trifft 2017 in Bern eine Delegation des Bundesrats. Zu seiner Linken: Hauptberater Richard Szostak.Keystone

Comeback eines alten Bekannten

Damit ist jetzt Schluss. Die EU-Kommission hat offensichtlich entschieden, alle Staaten, die der EU nicht beitreten wollen, aber doch am Binnenmarkt teilnehmen (oder zumindest sehr nahe dran sind), aus einem Guss zu behandeln. Das Ziel soll nicht nur die Zusammenlegung von Personalressourcen sein, sondern offensichtlich auch ein kohärenter Umgang mit diesen «Partnerstaaten».

Der entscheidende EU-Beamte, bei dem künftig die Fäden zusammenlaufen dürften, ist für die Schweiz ein alter Bekannter: Er heisst Richard Szostak und war bei der Vorgängerkommission von Jean-Claude Juncker dessen rechte Hand und Allzweckwaffe. Es war Szostak, der mit den Schweizer Staatssekretären Roberto Balzaretti, Mario Gattiker und Pascale Baeriswyl die Verhandlungsklingen kreuzte.

Der polnisch-britische Doppelbürger gilt als blitzgescheit, sanft im Ton, aber hart in der Sache. Im Moment rapportiert er als Leiter der Brexit-Taskforce an den EU-Vizepräsidenten Maros Sefcovic, welcher vor kurzem als neuer Ansprechpartner für Aussenminister Ignazio Cassis bestimmt wurde. Als Hauptberater dürfte Szostak dem Slowaken künftig auch in Sachen Schweiz zur Seite stehen und eventuell schon beim nächsten Treffen mit Cassis beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit am Tisch sitzen.

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