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82 Parlamentarier fordern mehr Infos auf den Stimmzetteln: Ein Politologe warnt vor Verwirrung

Eine parteiübergreifende Motion fordert, die Stimmzettel für nationale Abstimmungen auch mit den indirekten Gegenvorschlägen - falls vorhanden - zu versehen. Führt das zu mehr Transparenz? Ein Politologe befürchtet das Gegenteil.

Sind die Informationen auf dem Stimmzettel bei den eidgenössischen Wahlen zu spärlich? Oder doch zu umfangreich? Für FDP-Nationalrat Marcel Dobler ist Ersteres der Fall. Er hat am Mittwoch eine parteiübergreifende Motion für mehr Transparenz auf den Stimmzettel eingereicht. Konkret geht es darum, beim Stimmzettel auf den indirekten Gegenvorschlag hinzuweisen, sollte eine Vorlage über eine solche verfügen. Denn, so Dobler, viele Bürgerinnen und Bürger wüssten manchmal gar nicht, dass das Parlament zu einer Vorlage stundenlang über eine Alternative gebrütet habe. «Nicht alle lesen das Abstimmungsbüchlein so genau durch», sagt er. 82 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus allen Parteien unterstützen die Motion von Dobler.

Zur Info für alle Politikmuffel: Bei einem indirekten Gegenvorschlag schlägt das Parlament anstelle einer Verfassungsänderung eine Gesetzesänderung oder ein neues Gesetz vor. Der indirekte Gegenvorschlag erlaubt es dem Parlament, auf das Anliegen der Initiative einzugehen, ohne die Verfassung zu ändern. Zieht das Initiativkomitee die Initiative nicht zurück, so tritt der Gegenvorschlag in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt wird.

Ein Beispiel: Im letzten November hat das Stimmvolk die Pflegeinitiative angenommen. Die Vorlage verlangte Verbesserungen für die Pflegefachkräfte bei den Arbeitsbedingungen, der Abgeltung, der beruflichen Entwicklung und der Abrechnung. Das Parlament verabschiedete einen indirekten Gegenvorschlag, der mit einer Milliarde Franken die Aus- und Weiterbildung von Pflegefachkräften während acht Jahren fördern wollte. Der Gegenvorschlag wäre bei einer Ablehnung der Initiative in Kraft getreten.

Sind die Stimmzettel bereits überladen?

Eine Änderung auf dem Stimmzettel vorzunehmen, fällt in die Kompetenz des Bundesrates. Für Marc Bühlmann, Direktor von Année Politique Suisse an der Universität Bern, gehört diese Motion in eine Reihe von Vorstössen, die Reformen fordern, um eine «Überforderung» der Stimmbevölkerung zu lindern. «Immer wird damit argumentiert, dass die Stimmbevölkerung nicht genügend informiert sei», sagt Bühlmann. Meistens würde solchen Vorstössen in der Staatspolitischen Kommission mit einigem Pragmatismus begegnet: Wer kann schon von sich behaupten, über alles genauestens informiert zu sein? Sehr häufig orientieren sich Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an bestimmten Hinweisen, sagt Bühlmann. Also: Was sagt meine Partei, was sagt der Bundesrat, was sagt das Parlament? Für den Politikprofessor ist die dahinterliegende Frage spannender:

«Wie viel Information und Wissen ist nötig, um ‹richtig› abzustimmen?»

Was die Motion betrifft, so sagt er: «Es würde wohl eher für mehr – als weniger – Verwirrung sorgen, wenn der indirekte Gegenvorschlag auch noch auf dem Stimmzettel vermerkt ist.» Der Stimmzettel selber sollte ja eigentlich keine Informationsplattform sein. «Ansonsten müsste man sich überlegen, ob da dann zur Sicherheit nicht auch noch die Empfehlung von Bundesrat und Parlament darauf stehen müssten.» Damit die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auch diese Information wirklich mitkriegten.