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«Wenn die Leute sehen, dass die falschen Leute kommen und das System ausnützen, nimmt die Solidarität massiv ab»

Im ZT-Talk spricht die SVP-Nationalrätin und Aarburger Frau Vizeammann Martina Bircher über ihre Wut im Bauch, als sie vom Krieg in der Ukraine erfuhr. Die Hilfsbereitschaft der Schweizerinnen und Schweizer begrüsst sie – warnt aber gleichzeitig davor, dass mit dem Schutzstatus S Missbrauch getrieben werden könnte. Dass ihr Nationalratskollege Thomas Aeschi in der SRF-«Arena» mundtot gemacht wurde, wie sie sagt, ärgert sie.

Auf nationaler Ebene hat sich SVP-Nationalrätin Bircher schon mehrfach dezidiert zu Asyl-Themen geäussert – gern wird ihr dabei das Label «Hardlinerin» angehängt. Dass Bircher nicht wisse, wovon sie spreche, kann man ihr nicht vorwerfen: Als Frau Vize-Ammann von Aarburg betreut sie unter anderem das Ressort Asyl/Integration, und im Regionalverband Zofingenregio präsidiert sie die Arbeitsgruppe Asyl- und Flüchtlingswesen.

Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, habe sie sie eine gewisse Wut im Bauch verspürt: «Jetzt wieder Krieg, so nahe bei uns!»

Noch sei die Lage angesichts der vielen Flüchtlinge unübersichtlich, so Bircher, auch in der Region Zofingen. «Die Informationen gelangen nur tröpfchenweise vom Kanton zu den Gemeinden.» In Aarburg sei beispielsweise plötzlich eine Familie dagestanden. «Wir wussten von nichts.» – «Einen Überblick, wie viele bereits im Bezirk Zofingen wohnen, gibt es noch nicht. Ich hoffe, dass das von Seiten des Kantons kommt.»

Die Hilfsbereitschaft von Privatleuten, die Kriegsvertriebene aufnehmen, begrüsst sie. «Grundsätzlich finde ich das sehr schön, wenn Leute helfen wollen.» Allerdings stelle sich die Frage, ob diese Hilfsbereitschaft gut genug durchdacht sei. «Wenn jemand eine leere Wohnung hat und diese gratis zur Verfügung stellt, dann funktioniert das gut. Dann hat eine Flüchtlingsfamilie ihre eigenen vier Wände.» Schwieriger werde es, wenn jemand in seiner Wohnung ein Zimmer räume und zur Verfügung stelle. Man nehme möglicherweise traumatisierte Personen auf, das Thema Krieg sei immer präsent. Hinzu kommt laut Bircher der unklare Zeithorizont. «Ich habe bereits erste Fälle, bei denen man nach einer Woche gemerkt hat, dass es doch ein bisschen eng und schwierig wird. Dann sind wieder die Gemeinden gefordert.» Der Auftrag, Gastfamilien für ukrainische Flüchtlinge zu suchen, liegt bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Bircher sagt, sie wolle die Vermittlung genau beobachten. Lösungen, die nicht über längere Zeit halten, brächten nichts. Dann müssten sich nach kurzer Zeit die Gemeinden um die Flüchtlinge kümmern. «Dann ist es keine Entlastung, sondern ein massiver Mehraufwand.»

Sie werde auf nationaler Ebene den Finger darauf halten, «dass die Richtigen kommen», wie Bircher sagt. «Mit dem S-Status findet kein Asylverfahren mehr statt. Es werden Abklärungen gemacht, aber nicht so vertieft wie in einem Asylverfahren.» Es könnten Personen mit gefälschten Pässen über die Ukraine missbräuchlich in die Schweiz einreisen. Bundesrätin Karin Keller-Suter habe in einem Interview bereits eingeräumt, dass man sich vor Missbrauch in Acht nehmen müsse. Das sei auch wegen den ukrainischen Flüchtlingen wichtig: «Wenn die Leute sehen, dass die falschen Leute kommen und das System ausnutzen, nimmt die Solidarität massiv ab.»

Im Talk spricht Bircher zudem über den Eklat in der SRF-«Arena» zwischen SVP-Nationalrat Thomas Aeschi und Moderator Sandro Brotz. SVP-Fraktionspräsident Aeschi habe in der «Arena» einen konkreten Fall aus Deutschland angesprochen, bei dem zwei Asylsuchende mit wahrscheinlich gefälschten ukrainischen Pässen nach Deutschland eingereist seien und in der Asylunterkunft eine Ukrainerin vergewaltigt hätten. «Darauf wollte er aufmerksam machen. Dass wir sehr genau hinschauen, wer kommt – und dass solche Fälle nicht passieren.» In der «Arena» sei Aeschi mundtot gemacht worden mit dem Vorwurf von Brotz, er sei Rassist. «Das geht nicht.» – «Von einem gebührenfinanzierten Staatssender darf man verlangen, dass man als Regierungspartei sachlich und fair behandelt wird.»