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In Pandemie litten deutlich mehr Menschen unter psychischer Belastung – speziell Junge

Im ersten Pandemiejahr litten deutlich mehr Menschen in der Schweiz unter psychischen Belastungen. Besonders betroffen waren junge Menschen. Und bei Mädchen und junge Frauen gab es mehr Suizidversuche.

Zwar haben sich im Jahr 2020 über drei Viertel der Bevölkerung meistens oder ständig glücklich gefühlt. Seit dem Ausbruch der Coronapandemie in der Schweiz berichten jedoch signifikant mehr Personen von einer erhöhten psychischen Belastung. Besonders hoch waren diese Werte während des ersten Lockdowns im März/April sowie in der zweiten Welle im November/Dezember nach erneuten Verschärfung der Massnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus.

Besonders stark zugenommen haben psychische Belastungen als Folge der Coronapandemie unter Kindern, Jugendlichen und 18- bis 29-Jährigen. Das zeigt der jüngste, am Donnerstag publizierte Bericht zur Psychischen Gesundheit des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan). Demnach hat sich die Häufung in dieser Alterskategorien zwischen 2017 und 2020/2021 mehr als verdoppelt. Zudem verweist der Obsan-Bericht auf bereits bekannte Erkenntnisse, wonach ähnliche Beobachtungen auch schon für andere vulnerable Gruppen gemacht worden sind, etwa Personen mit psychischen Vorerkrankungen oder aus niedrigen Einkommens- und Bildungsschichten.

Rekord von Hospitalisierungen wegen Suizid

Überraschend am Anstieg der psychischen Belastungen in der Schweiz: Im ersten Pandemiejahr ist die Zahl der Konsultationen in der ambulanten Psychiatrie insgesamt auf 526 Konsultationen pro 1000 versicherte Person zurückgegangen. Dies trotz der Möglichkeit zu fernmündlichen Kontakten, wie das Obsan festhält. Mit 8,2 Prozent besonders stark fiel der Rückgang dabei bei Kindern aus (Erwachsene: -2,5 Prozent). Das legt laut dem «Psychischen Gesundheit»-Bericht den Schluss nahe: Telefonsitzungen mit der Psychiaterin oder dem Psychiater konnten das durch den Bund verhängte physische Behandlungsverbot nicht ausreichend kompensieren.

Das Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 oder www.143.ch ist rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da. Das Angebot dieser niederschwelligen Anlaufstelle für emotionale Erste Hilfe ist kostenlos und anonym. Es kann per Telefon, E-Mail oder Chat Hilfe gesucht werden – am einfachsten ist der Einstieg über www.143.ch.

Hinterbliebene nach Suizid können sich an den Verein Refugium wenden: www.verein-refugium.ch

Bei der Suizid-Prävention des Kantons Zürich gibt es ganz konkrete Tipps, wie man das Thema Suizid ansprechen kann.

AuchPro Mente Sana bietet kostenlose Beratung für Betroffene, deren Angehörige und Nahestehende sowie weitere Bezugspersonen an.

Die Zahl der psychiatrischen Hospitalisierungen von Kindern und Jugendlichen ist 2020 dagegen nach rückläufigen Jahren insbesondere im ab September wieder deutlich angestiegen. Davon betroffen waren insbesondere Mädchen und junge Frauen. Überhaupt wird bei diesen seit 2017 ein deutlicher Anstieg von Hospitalisierungen nach mutmasslichen Versuchen von Suiziden festgestellt, wie erstmals erhobene Zahlen zeigen. Im ersten Coronajahr erreichte dieser Wert demnach einen traurigen Rekord. «Gewisse Entwicklungen sind vermutlich pandemiebedingt, andere haben sich bereits vor 2020 abgezeichnet», schreibt dazu das Schweizerische Gesundheitsobservatorium.

BAG kündet weitere Abklärungen an

Das Obsan hat die Publikation «Psychische Gesundheit» nach 2018 und 2019 am Donnerstag zum dritten Mal veröffentlicht. Sie basiert auf verschiedenen bereits publizierten Einzelstudien sowie auf der Auswertung von Daten des Bundes. Auftraggeber ist das Bundesamt für Gesundheit (BAG).

«Welche Entwicklungen auf die Pandemie zurückzuführen sind und welche einer generellen Tendenz über die letzten Jahre folgen, ist schwierig abzuschätzen», schreibt BAG-Direktorin Anne Lévi dazu im aktuellen Obsan-Bulletin. Und sie verspricht, dass weitere Analysen und Berichte folgen werden. Dies nicht zuletzt aufgrund politischer Vorstösse.