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Nach umstrittenen Ukraine-Aussagen am WEF zu Gebietsabtretungen: Henry Kissinger krebst zurück

Henry Kissinger, ehemaliger US-Aussenminister, empörte die Ukraine am WEF in Davos. Er sagte damals, die Ukraine müsse für den Frieden mit Russland bereit sein, einen Teil ihres Staatsgebiets abzugeben. Nun berichtigt er in einem Interview seine Aussage.

Nach seinen Aussagen am diesjährigen WEF musste sich Henry Kissinger (99) viel Kritik anhören. Der ehemalige US-Aussenminister, Friedensnobelpreisträger und Präsidentenberater stellte am Weltwirtschaftsforum in Davos in den Raum, dass die Ukraine für den Frieden mit Russland auf Gebiete wie die Krim oder Teile des Donbass verzichten müsse. Europas Stabilität sollte nicht «wegen ein paar Quadratkilometern im Donbass» aufs Spiel gesetzt werden, sagte Kissinger. Nur so könne eine Friedensabkommen erreicht werden.

Es ist kaum verwunderlich, dass die Kritik vor allem aus der ukrainischen Politik kam, wo Kissinger mit seinen Aussagen grosse Empörung auslöste. In der Folge sagte dann aber neben anderen auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass die Ukraine «dem Frieden zuliebe» über die Aufgabe von Territorien nachdenken sollte. In westeuropäischen Regierungskreisen zweifelte man bereits seit Kriegsbeginn daran, ob es Kiew gelingen wird, die von Russland besetzten Gebiete, inklusive der bereits 2014 annektierten Krim-Halbinsel, vollständig zurückzuerobern.

Die Nato könnte ihr Gesicht verlieren

In einem TV-Interview beim US-amerikanischen Sender CNN revidierte Henry Kissinger nun einen Teil seiner kritisierten Aussagen am WEF: Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland seien wünschenswert, er habe aber nicht gesagt, dass die Ukraine aufgeben soll, sagte Kissinger zu Moderator Fareed Zakaria.

«Ich habe nur gesagt, dass die Verhandlungen für ein Friedensabkommen da anfangen sollten, wo der Krieg im Februar begonnen hat, mit dem Status Quo ante», so der Friedensnobelpreisträger. Dies schliesst folglich eine Erweiterung des russischen Territoriums um den Donbass, Luhansk oder den besetzten Küstenstreifen am Schwarzen Meer aus. Eine Rückkehr zur Situation vor dem 24. Februar bedeute aber einen «wesentlichen Rückzug» für Russland, da es im Vergleich zu damals nun den gesamten Oblast Luhansk und weite Teile des Donbass kontrolliert. Rund ein Fünftel der ukrainischen Staatsfläche ist seit dem Beginn der Invasion am 24. Februar von Russland besetzt worden.

Dennoch müsse die «Umkehr der Aggression» das Ziel des Westens und insbesondere dasjenige der Nato sein. Denn: Wenn Russland Verhandlungen anbietet und dadurch den ganzen Donbass und den Streifen am schwarzen Meer entlang erwirbt, so Kissinger, werde dies am Ende als Schwäche der Nato interpretiert, ein befreundetes Land nicht schützen zu können. Damit dürfe man sich im Westen nicht zufrieden geben, sagte Kissinger, der damit trotzdem nur in Teilen zurückrudert, denn bereits vor dem 24. Februar hatte Russland Teile des Donbass, Teile des Oblast Luhansk sowie die Krim-Halbinsel annektiert.

Gebiete also, welche die Ukraine nie freiwillig an Russland abgetreten hat. Tatsächlich zeigt sich die Ukraine bis anhin auch zu keinerlei Gebietsabtretungen bereit, und lehnt diesbezügliche Verhandlungen mit Russland kategorisch ab.

Die von Kissinger vor einigen Jahren vorgeschlagene Lösung, die Ukraine zu einer Brücke zwischen Russland und Europa zu machen, sei durch die Aggression Russlands endgültig gescheitert, sagte er weiter. So oder so sei die Ukraine durch die Invasion, «ob formell oder nicht, ein Teil von Europa geworden», sagte Kissinger. Denn die Ukraine lehne das «mystische, russische Narrativ» ab und wolle Teil des Westens sein.