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Bald Licht aus für Glühwürmchen? Die sympathischen Käfer werden immer seltener

In Schweizer Wäldern findet man immer weniger Glühwürmchen. Wir haben eine Naturschützerin begleitet, die gegen das Aussterben der Leuchtkäfer kämpft.

An einem warmen Sommerabend wird der Burghügel in Freienstein langsam in die abendlichen Rottöne des Sonnenuntergangs getaucht. Auf dem Gebiet rund um die Burgruine setzt Katrin Luder für den Verein Glühwürmchen Projekt Aufwertungsarbeiten um. Sie ist Biologin mit Fokus auf Ökologie und Evolution. Als Mitarbeiterin eines Zürcher Naturschutzbüros ist sie an verschiedenen Projekten beteiligt, darunter Naturschutzberatung für Gemeinden und Artenförderung, unter anderem für Glühwürmchen.

Um den Tierchen zu helfen, werden vom Verein beispielsweise Ast- oder Steinhaufen erstellt, in denen sie sich gut verstecken können. Davon profitieren auch andere Insektenarten, die mittlerweile selten geworden sind. Solche Aufwertungen sind Teil eines Projektes, das an verschiedenen Standorten im ganzen Kanton Zürich schon seit 2020 durchgeführt wird. Bereits in einem Jahr endet die Aktion allerdings, die erstellten Strukturen werden jedoch auch ­danach weiter gepflegt und instand gehalten.

LED-Lichter helfen beim Suchen in der Dämmerung

Bevor es eindunkelt, dreht Katrin Luder eine Runde um den Burghügel, um die Aufwertungen zu inspizieren. Dazu gehören auch Ruderalflächen, also brachliegende Rohbodenflächen und ein aufgelichteter Waldrand. Denn Glühwürmchen brauchen sowohl offene, sonnige Flächen als auch schattige Rückzugsorte, die nahe beieinander liegen.

Das bietet der Standort in Freienstein bereits mit Wiesen und einem Bach, der durch ein kleines angrenzendes Waldstück fliesst. Die vom Verein realisierten Aufwertungen sind in diesem Gebiet eine wichtige Ergänzung.

Weltweit gibt es über alle Kontinente, abgesehen von der Antarktis, rund 2000 verschiedene Arten von Glühwürmchen. In der Schweiz ist der Bestand mit vier Arten etwas übersichtlicher. Eine etwas bekanntere Spezies ist das Grosse Glühwürmchen, welches 2019 von Pro Natura zum Tier des Jahres gewählt wurde. Hierzulande ist diese Art die am weitesten verbreitete und dürfte noch in vielen Gemeinden irgendwo zu finden sein, so auch auf dem Burghügel in Freienstein.

Chemische Reaktionen im Hinterteil lassen  Glühwürmchen leuchten.
zvg /Tagblatt

Den grössten Teil ihres Lebens verbringen die Leuchtkäfer als Larven. Sie schlüpfen mit einer Grösse von wenigen Millimetern aus ihren Eiern und wachsen dann über zwei bis drei Jahre auf eine Grösse von ein bis zwei Zentimeter heran. In dieser Phase ernähren sich die nachtaktiven Larven von Schnecken. Da diese teils deutlich grösser sind, können die Glühwürmchen sie mit einem Giftbiss überwältigen. Wenn die Käfer gross genug sind, verpuppen sie sich und entwickeln sich zu einem ausgewachsenen, geschlechtsreifen Tier.

Leuchten können beim Grossen Glühwürmchen nur die Weibchen. Fliegen dagegen bleibt den Männchen vorbehalten. Aus dem Flug sehen diese die leuchtenden Weibchen und lassen sich zielsicher auf sie her-abfallen. Das Weibchen legt wenige Tage nach der Paarung 60 bis 80 Eier und stirbt daraufhin. Da Weibchen unmittelbar nach der Paarung aufhören zu leuchten, ist das Anlocken von Männchen die sicherste Methode, um Glühwürmchen zu kartografieren.

Mittlerweile beginnt es zu dämmern. Um die Männchen anzulocken, legt Biologin Luder LED-Lämpchen in Plastik­becher, die sie auf dem Gelände verteilt. Die Lämpchen sind mit der Grösse eines Stecknadelkopfes etwa gleich gross wie die drei leuchtenden hinteren Segmente der Glühwürmchen-Weibchen und sollen jene imitieren. Und tatsächlich: Schon bald lassen sich die ersten Männchen in die Becher fallen. Luder zählt, wie viele Glühwürmchen in den Fallen gelandet sind und lässt sie danach gleich weiterziehen. Auf einer Karte trägt sie ein, wo wie viele Leuchtkäfer-Männchen gefangen wurden. Diese Daten liefern Hinweise, wie sich die Glühwürmchen-Population mit Hilfe der Aufwertungsarbeiten entwickelt.

Die Lichtverschmutzung verwirrt die Männchen

Genau wie viele andere Insekten werden auch Glühwürmchen immer seltener. Forscher auf der ganzen Welt berichten von einem Rückgang der Artenvielfalt und der Anzahl der beobachteten Tiere. Für die Schweiz gibt es keine exakten Zahlen, aber auch hier sieht man Leuchtkäfer immer seltener. Das legen ­zumindest zahlreiche Einzel­beobachtungen nahe.

In der Dämmerung findet man am meisten Glühwürmchen – manchmal leuchten sie aber auch später noch.
Fotolia

Bekannt sind dafür die Gründe für den Rückgang: Die Lebensräume der Glühwürmchen weichen immer mehr der intensiven Landnutzung. Und auch die Lichtverschmutzung macht den Leuchtkäfern zu schaffen. Denn während sich die Weibchen unabhängig vom Licht platzieren, haben die Männchen damit mehr Probleme. Sie flüchten vor sehr heller Beleuchtung und verpassen ­damit Weibchen, die in der Nähe einer Laterne geschlüpft sind und dort warten. Die Fortpflanzung wird durch künstliches Licht also verhindert.

Glühwürmchen leuchten hauptsächlich im Juni und Juli. Die Leuchtperiode kann aber je nach Klima und Frühjahrstemperatur auch variieren – ein offenes Auge lohnt sich auch vor und nach dieser Phase. Wer nach Glühwürmchen sucht, sollte sie nur beobachten und die Leuchtkäfer ansonsten in Ruhe lassen. Werden sie zu lange mit einer Taschenlampe angestrahlt, hören sie auf zu leuchten. Wer sich zwischen Dämmerung und Mitternacht mit offenen Augen am Waldrand oder entlang von Böschungen umschaut, könnte einen leuchtenden Punkt in der Dunkelheit ausmachen. Als hätte jemand ein LED-Lämpchen liegen lassen.