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Gelder für die Armee eines fremden Staates?

Die Angehörigen der Schweizergarde, «praktizierende Katholiken, die aktiv an den liturgischen Feiern im Vatikan teilnehmen» (Nachwuchswerbung), sollen neue Unterkünfte bekommen. Kostenpunkt: rund 55 Millionen Franken. Dafür kommt aber nicht der Vatikan auf, sondern die öffentliche Hand der Schweiz sowie Spenderinnen und Spender aus unserem Land. An den Kosten für den Neubau der Kaserne wird sich der Vatikan lediglich bei der Unterbringung seiner Gardisten während der rund zweijährigen Bauzeit finanziell beteiligen.

Pikant: Das Geld sammelt weder der Vatikan noch die Schweizergarde, sondern eine Stiftung mit Sitz in Solothurn. In einem Heft der Stiftung sind die Argumente zusammengefasst, die für eine Spende sprechen. Da steht beispielsweise: «Der Neubau der Kaserne für die Schweizergarde ist eine Vermögensanlage in die Zukunft unserer christlichen Gesellschaft hier in der Schweiz. Jeder Gardist, der seinen Dienst als einen Ruf Gottes auffasst und in diesen und in die Gemeinschaft seiner Kameraden all seine Kräfte einbringt, kehrt als ein an Leib und Seele gereifter Mensch in die Schweiz zurück.» Für die Mittelbeschaffung hat die Stiftung ein Patronatskomitee eingesetzt, das von alt Bundesrätin Doris Leuthard präsidiert wird.

Die Regierung eines einzigen Kantons – Luzern – wollte ihren Beitrag an die Kaserne der ordentlichen Staatskasse entnehmen, womit gegen den Beschluss das Referendum ergriffen werden konnte. Das Resultat der Abstimmung kennen wir: die 400 000 Franken wurden mit einem Ja-Anteil von 71,5 Prozent gestrichen – dies in einem Kanton, in welchem 60 Prozent der Bevölkerung katholisch sind. Die anderen Stände umgingen das demokratische Risiko, indem sie das Geld dem Lotteriefonds entnahmen. 17 Kantone sind dem Wunsch der Kasernenstiftung nachgekommen. Die Spanne reicht dabei vom Wallis mit knapp 3 Franken pro Kopf der Bevölkerung bis zu Obwalden mit bescheidenen 13 Rappen. Der Aargau hat 1 Franken pro Einwohnerin und Einwohner überwiesen.

Die «Umschiffung» der Demokratie ist letzte Woche im Wallis zum Thema geworden. Eine Gruppierung «bekennender» Nichtkatholiken hat sich die Bestimmungen für die Verteilung von Geldern aus dem Topf der Lotterie Ro­mande genauer angesehen. Da heisst es: «Die Gewinne werden an gemeinnützige Institutionen oder Projekte verteilt. Auf Spendengesuche mit folgender Bestimmung wird nicht eingetreten: Aktivität mit einem ausgeprägten politischen oder konfessionellen Charakter oder einem privaten Gewinnzweck.»

Im Aargau gab es letzten Freitag Stellungnahmen der Parteien gegenüber Radio DRS. FDP und SVP sehen – wie der Regierungsrat – die Garde «als lebendige kulturhistorische Institution» mit einer Ausstrahlung, die über die Landesgrenze hinausgehe. «Die Marke Schweizergarde steht für Werte wie Verlässlichkeit und Austausch, die für die Schweiz und auch den Kanton Aargau gelten.» SP und Grünen sagen, im Sinne eine Trennung von Kirche und Staat sei es nicht Aufgabe des Kantons, den Vatikan mit 700 000 Franken zu unterstützen – die katholische Kirche habe genug Geld. Interessant: Die Mitte tut sich schwer mit einer klaren Linie. In der Partei gebe es keine einheitliche Meinung zum Thema.

Wie reich ist der Vatikan? Aus den wenigen öffentlich zugänglichen Daten hat die italienische Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore» 2020 Vermögenswerte von 18 Milliarden Euro errechnet. Dies ist ein erstaunlicher Wert, da der Papst bis 1929 arm wie eine Kirchenmaus war. Dies, weil 1861 die junge Italienische Republik den Kirchenbesitz weitgehend verstaatlicht hat. 1929 zahlte der Faschist Benito Mussolini eine Entschädigung von rund 1,5 Milliarden Lire. Nach heutigem Wert sind das 13 Milliarden Franken. Ein Grossteil dieses Geldes investierten die Kämmerer des Vatikans noch vor dem Zweiten Weltkrieg in Liegenschaften an bester Lage in europäischen Hauptstädten. Sie legten so den Grundstein für die gesunden Finanzen des Kleinstaats. Letzteres ist etwas, was eigentlich der SVP in die Nase stechen sollte. Die Schweizergarde ist nicht ein Leibregiment des Papstes, sondern die «fremde» Armee eines Kleinstaats, dessen Souverän Stellvertreter Christi ist.

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