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Heftig umstritten: Grosser Rat legt Eigenmietwert auf 60 Prozent fest – die Regierung wollte 62 Prozent

Die Bürgerlichen würden ihn am liebsten abschaffen, die Linken möchten ihn gern erhöhen: Der Eigenmietwert spaltet den Grossen Rat. Das Kantonsparlament legte ihn in erster Lesung beim Minimum fest – sodass es nach Bundesgesetz gerade noch zulässig ist.

Der Kanton Aargau muss seine Eigenmietwertbesteuerung anpassen. Ein Verwaltungsgerichtsurteil von 2020 verpflichtet ihn dazu. Die heutige Praxis stehe im Widerspruch zum Steuerharmonisierungsgesetz und sei somit rechtswidrig, heisst es in der Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat. Dieser hatte in seiner Sitzung am Dienstag darüber zu befinden.

Wie erwartet, und wie sich bereits in der Anhörung vom Sommer gezeigt hatte, gingen die Meinungen weit auseinander: Bürgerliche und GLP wollten den Eigenmietwert auf das Minimum von 60 Prozent der Marktmiete festsetzen – wobei SVP und FDP den Eigenmietwert lieber ganz abschaffen würden. Die Grünen hätten hingegen 70 Prozent bevorzugt. Mitte, EVP und SP wiederum zeigten sich mit dem Vorschlag des Regierungsrats, den Eigenmietwert bei 62 Prozent festzulegen, einverstanden.

Auch die Regierung wollte ursprünglich das Minimum von 60 Prozent vorschlagen. Die Anpassung nahm sie nach der Anhörung vor, mit der Begründung, die zwei zusätzlichen Prozent würden einen Puffer ergeben. Das Risiko wäre bei einem tieferen Ansatz gross, dass dieser wegen Wertsteigerungen der Liegenschaften schon in naher Zukunft wieder nach oben korrigiert werden müsste. Man laufe direkt wieder Gefahr, zu tief zu veranlagen, wie Finanzdirektor Markus Dieth ausführte.

Eigenmietwert für FDP ein Ärgernis

Ein weiterer Diskussionspunkt war denn auch, in welchem Rhythmus die Wertschätzung der Liegenschaften durchgeführt werden müsse. Die FDP stellte den Antrag, diesen bei zehn Jahren festzulegen. «Der Eigenmietwert ist und bleibt ein Ärgernis», sagte Fraktionspräsident Silvan Hilfiker. Seine Partei akzeptiere jetzt aber zähneknirschend die unumgängliche Umsetzung des Bundesrechts. Die zusätzlichen Steuereinnahmen seien aber an jene zurück zu verteilen, die mit einer Mehrbelastung bestraft würden.

Das möchte auch die SVP, wie Hansjörg Erne für die Fraktion ausführte. Er erinnerte weiter daran, dass nicht alle Eigenheimbesitzer vermögend seien. Für jene, die sich ein Häuschen zusammengespart oder ihre Hypothek über Jahre minimiert hätten, sei es unfair, wenn ihr eigentlich vorbildliches Verhalten durch den Eigenmietwert bestraft werde.

Die Bürgerlichen hatten bei diesem Geschäft die Grünliberalen auf ihrer Seite, allerdings wenig überzeugt: Wegen der zu erwartenden Mehrheiten stimmten sie dem Minimum von 60 Prozent zu, sagte Dominik Gresch für die Fraktion. Tatsächlich kam diese Mehrheit erst durch die GLP zusammen – der Antrag der zuständigen Kommission, es bei 60 Prozent zu belassen, wurde am Schluss mit 74 zu 55 Stimmen gutgeheissen.

Mitte geschlossen für Regierungsvorschlag

Geschlossen für 62 Prozent der Marktmiete war die Mitte. Es sei zu berücksichtigen, dass Liegenschaftsbesitzer im Aargau in den letzten Jahren zu tief besteuert worden seien, sagte Hans-Ruedi Hottiger (parteilos) für die Fraktion. Das Sicherheitspolster von zwei Prozent begrüsse die Mitte. Es müsse dann aber auch abgeklärt werden, ob damit nicht ein weniger strenger Überprüfungsrhythmus möglich sei.

Im Vergleich zu Mieterinnen und Mietern stünden die Hausbesitzenden noch immer gut da, gab Mirjam Kosch (Grüne) zu bedenken. Deshalb würden die Grünen den Eigenmietwert gar auf 70 Prozent der Marktmiete erhöhen wollen. Wenig begeistert stimme die Fraktion aber den 62 Prozent zu – und mit einem Fünf-Jahres-Überprüfungsrhythmus könne man leben, zehn Jahre wäre definitiv zu lange.

Wer eine Liegenschaft besitzt, werde nach wie vor bevorzugt behandelt, meinte auch Arsène Perroud (SP). Die Partei begrüsse den Systemwechsel, stellte aber einen Antrag in Frage, der eine Härtefallregelung für finanziell Schwache forderte. «Mit diesen Minimalwerten hat man dafür keinen Handlungsspielraum mehr», so Perroud.

Einstimmig auf der Seite der Linken war die EVP. Eigenheimbesitzer könnten dankbar sein, müssten sie die zu wenig erhobenen Steuern jetzt nicht noch nachbezahlen, sagte Urs Plüss für die Fraktion. Sie hätte sich eine Härtefallregel gewünscht – allerdings sei das, nach einem weiteren Bundesgerichtsurteil, gar nicht möglich.

Gerade noch legal

Das bestätigte Finanzdirektor Markus Dieth. Mit 62 Prozent Eigenmietwert und einem Schätzungsrhythmus von fünf Jahren bewege man sich am unteren Rand dessen, was das Bundesgesetz noch zulasse. Unterhalb der verfassungsmässigen Grenze von 60 Prozent Marktmiete dürfe kein Haus im Aargau eingeschätzt werden.

Der Grosse Rat überwies die Vorlage in erster Lesung gegen den Willen des Finanzdirektors mit einem Eigenmietwert von 60 Prozent – und mehreren Prüfungsanträgen. Jetzt beugt sich noch einmal der Regierungsrat darüber.