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Orbans Schadenfreude über Katar-Gate währte nur kurz: EU-Staaten frieren Milliardenhilfen für Ungarn ein

Wegen anhaltender Rechtsstaatsmängel und Korruptionsvorwürfen muss Ungarn vorerst auf 6,3 Milliarden Euro an EU-Hilfen verzichten. Die wegen Schmiergeldzahlungen inhaftierte Vize-Präsidentin des EU-Parlaments Eva Kaili wurde derweil abgesetzt.

«Guten Morgen ans EU-Parlament!» schrieb Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Montag noch schadenfreudig auf Twitter und versetzte seinen Beitrag mit einem Witzbild, worin er sich über die Korruptionsaffäre rund um die Vize-Präsidentin des EU-Parlaments Eva Kaili lustig macht. Mit der Häme war allerdings zu rechnen. Immerhin gehört das EU-Parlament zu den lautstärksten Kritikern der ungarischen Regierung, welche seit Jahren im Streit mit der EU über Korruptionsvorwürfe und Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit liegt.

Und jetzt sollen ausgerechnet die EU-Volksvertreter hunderttausende Euros an Schmiergeld von Katar angenommen haben. Ein Steilpass für Orban.

Ein Novum in der EU-Geschichte: Einem Staat wird der Geldhahn abgedreht

Einen Tag später jedoch dürfte Orban das Lachen vergangen sein. Am späten Montagabend nämlich einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten mit einer grossen Mehrheit, Ungarn 6,3 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln einzufrieren. Es ist das erste Mal in der Geschichte der EU, dass die Staatengemeinschaft einem ihrer Mitglieder wegen Rechtsstaatlichkeitsmängel den Geldhahn zudreht. Auch die 5,8 Milliarden Euro an Corona-Hilfen erhält Budapest erst, wenn es die insgesamt 27 von Brüssel geforderten Reformmassnahmen komplett umsetzt.

Lange Zeit konnte Ungarn auf die Unterstützung von Verbündeten wie Polen setzen. Im Zuge des Krieges in der Ukraine und der wiederholten russlandfreundlichen Haltung Orbans hat die Beziehung aber stark gelitten.

Kaili plädiert auf Unschuldigkeit – und wird trotzdem ihres Amts enthoben

Gleichzeitig macht sich das EU-Parlament an die Aufarbeitung der Korruptionsaffäre in seinen eigenen Reihen. Eva Kaili, die auch fünf Tage nach ihrer Festnahme in Untersuchungshaft verbleibt, wurde am Dienstag vom EU-Parlament von ihrem Vizepräsidentenamt entbunden. Die Abgeordneten stimmten mit nur einer Gegenstimme für die Absetzung der 44-Jährigen. Kaili selbst liess über ihren Anwalt ihre Unschuld beteuern. «Ihre Position ist, dass sie unschuldig ist. Sie hat nichts mit Geldflüssen aus Katar zu tun, überhaupt nichts», sagte Michalis Dimitrakopoulos dem griechischen Fernsehsender Open.

In einer Rede am Vortag kündigte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola vollständige Aufklärung an und enthüllte, dass man seit einiger Zeit mit den belgischen Behörden zusammenarbeite, um ein «kriminelles Netzwerk» rund um das EU-Parlament aufzudecken. Am Montag, während die EU-Abgeordneten im 350 Kilometer entfernten Strassburg tagten, durchsuchten die Ermittler Büros am Brüsseler Zweitsitz des Parlaments. Die Computer insgesamt zehn Mitarbeitern von EU-Parlamentariern wurden beschlagnahmt.

Belgische Medien veröffentlichten unterdessen ein Bild der beschlagnahmten Geldmenge. Demnach sollen bei Kaili, bei ihrem in einem Brüsseler Hotel verhafteten Vater und dem ehemaligen EU-Abgeordneten Pier Antonio Panzeri insgesamt über eineinhalb Millionen Euro in bar gefunden worden sein.

Unklar ist, ob der Skandal weitere Kreise zieht und noch weitere Parlamentarier betroffen sind. Zuletzt rückte auch der griechische EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas, ein Landsmann von Kaili, in den Fokus der Medienaufmerksamkeit. Schinas, der Ende November Katar besuchte, hat sich öffentlich mehrmals anerkennend über das Emirat und dessen Reformfor geäussert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Montag, man werde das Transparenzregister von Treffen von Kommissionsbeamten überprüfen. Sie gab sich sehr besorgt über den Skandal, der die Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen als Ganzes infrage stelle. Sie schlug vor, einen Institutionen-übergreifenden Ethik-Rat einzurichten. Eine Forderung, die von Nichtregierungsorganisationen wie «Transparency International» schon seit längerem gemacht wird.