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Spitzenlöhne der Krankenkassen-Chefs deckeln? – Das ist gar nicht so einfach

Der Bundesrat soll eine Obergrenze für die Löhne von Krankenkassen-Managern festlegen, finden die Gesundheitspolitiker des Parlaments. Doch was ist ein vernünftiger Lohn? Eine Expertin gibt Auskunft.

Die Politikerinnen und Politiker haben genug. Während die Prämien für die Krankenkassen steigen und steigen, kassieren die Chefs der Krankenkassen fürstlich. So bekam Sanitas-Chef Andreas Schönenberger im letzt Jahr fast eine Million Franken. Sein Kollege von der Groupe Mutuel immerhin 783’348 Franken und Ruedi Bodenmann von der Assura 767’334 Franken. Auffällig ist: wie die Prämien kennen auch die Löhne in der Regel nur eine Richtung, nämlich nach oben.

Der Nationalrat hat im letzten Herbst entschieden, dass die Löhne der Krankenkassenchefs gedeckelt werden sollen – bei 250’000 Franken. Dass der Ständerat dieser Forderung ebenfalls zustimmen wird, ist fraglich. Die vorberatende Gesundheitskommission hat schon einmal Nein gesagt. Sie hat sich für eine weichere Variante entschieden: Der Bundesrat soll den Lohndeckel in einer Verordnung festlegen. Die Gesundheitspolitiker von Stände- und Nationalrat haben einer parlamentarischen Initiative des Neuenburger SP-Nationalrat Baptiste Hurni zugestimmt. Nun wird die nationalrätliche Gesundheitskommission einen Gesetzestext ausarbeiten. Danach werden die beiden Parlamentskammern darüber befinden. Der Unmut bei den Politikerinnen und Politikern ist zwar gross, bis zu einem Lohndeckel ist der Weg aber noch weit. Und der Teufel steckt im Detail.

Was ist ein «vernünftiger» Lohn?

Doch zunächst zur grossen Frage: Wie nämlich soll der Bundesrat den Lohndeckel festlegen? Hurni findet eigentlich, dass 250’000 Franken genug sind. Doch weil das Parlament wohl keine fixe Grenze will, soll also der Bundesrat entscheiden. Der SP-Politiker verlangt einen «vernünftigen» Lohn für die Krankenkassenchefs. Schliesslich seien wir alle in der Grundversicherung zwangsversichert. Die Bevölkerung kann zwar die Krankenkasse frei wählen. Doch in der Grundversicherung sind die Leistungen, die die Kassen erbringen müssen, klar definiert. Für Hurni steht drum fest, dass die einzige Leistung, an der eine Krankenkassen gemessen werden kann, die Prämien sind. Solange die Prämien steigen, dürfen auch die Löhne nicht steigen.

Vernünftig heisst für Hurni, dass der Lohn die Verantwortung und auch die Grösse einer Krankenkasse widerspiegeln soll. Konkreter will er nicht werden. Klar ist für ihn, dass etwa der SBB-Chef deutlich mehr verdienen sollte, als ein Krankenkassen-Chef, weil dieser grössere Herausforderungen bewältigen müsse. Und weil Vincent Ducrot keine Zwangskunden hat. Ducrot verdiente 2022 knapp über eine Million Franken. Zudem hält Hurni fest, dass der Lohn der Krankenkassen-Chefs der Teuerung angepasst werden soll.

Das Problem mit den Zusatzversicherungen

Die Krux am Vorschlag von Hurni ist jedoch: Der Lohndeckel soll nur für die Grundversicherung gelten. Alle Krankenkassen sind jedoch auch im Geschäft mit Zusatzversicherungen tätig. Denkt man den Vorstoss konsequent zu Ende, müssten man wohl ein Trennsystem einführen: Hier die Grundversicherungen, in denen man keinen Gewinn realisieren darf – und die Löhne gedeckelt sind. Dort alle übrigen Versicherer – ohne Lohnobergrenze. Ansonsten könnte eine Chefin einer Krankenkasse für die Arbeit in der Grundversicherung einen gedeckelten Lohn erhalten – und für die Arbeit in den Zusatzversicherungen einen um so höheren Lohn. Auf dieses Problem weist Corinna Ast hin. Sie leitet den Vergütungsbereich bei der Beratungsfirma EY Schweiz.

Ast ist grundsätzlich skeptisch gegenüber fixen Obergrenzen in Franken und Rappen. Möchte man etwa die Teuerung oder die Entwicklung der Kaufkraft abbilden, müsste man den Lohndeckel regelmässig anpassen. Zudem fehle in der Schweiz die kulturelle Akzeptanz von einer Steuerung der Löhne von oben – anders als etwa in Skandinavien. Und drittens würde der Wettbewerb um die Manager eliminiert und dadurch würden die Unternehmen die Möglichkeit verlieren

Eine bessere Möglichkeit, um das Lohnwachstum einzudämmen sieht die Vergütungsexpertin bei relativen Obergrenzen. Also, dass ein Chef einer Firma nicht mehr als 20 mal mehr verdienen darf als der Mitarbeitende mit dem tiefsten Lohn. Oder der Cheflohn wird ins Verhältnis zum Durchschnittslohn in der Firma gesetzt. Diese Gehaltsspanne würde dann im Geschäftsbericht ausgewiesen.

Die Probleme mit der Obergrenze

Ast sieht in der Transparenz ohnehin das wirkungsvollere Mittel gegen exorbitanten Löhne, als eine staatliche Obergrenze. Dahin gehe auch der internationale Trend – ausgelöst durch eine EU-Richtlinie. Demnach müssen die Unternehmen ihre Vergütungssysteme transparenter und die Löhne nachvollziehbar machen – um Diskriminierungen zu verhindern.

Die Vergütungsexpertin ist also skeptisch, was die Pläne des Parlaments anbelangt. Sie kritisiert auch die Begründung. Zwischen den Krankenkassen herrsche ein Wettbewerb, sie hätten kein Monopol. Die Versicherten könnten die Kassen wechseln, wenn sie unzufrieden sind. Etwa mit der Beratungsleistung oder der Technologie, die eine Versicherung anwendet. Auch können sich die Kassen von der Konkurrenz abheben mit innovativen Versicherungsmodellen.

«Die Frage, was ein vernünftiger Lohn für einen Krankenkassenmanager ist, kann man nicht generell beantworten», sagt Ast. Natürlich könnte der Bundesrat etwa die Grösse gewichten, entweder festgemacht am Prämienvolumen oder der Anzahl Mitarbeitenden. Anbieten würden sich auch Vergleich mit vergleichbaren Branchen.

SP-Politiker Hurni hat eine konkrete Idee, woran sich der Krankenkassen-Lohndeckel orientieren soll. Nämlich an den Vergütungen bei den AHV-/IV-Ausgleichskassen.