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Darf ein «Güggeli» vegan sein? Heute entscheidet das Bundesgericht im Knatsch um Fleischersatzprodukte

Die Firma Planted verkauft ihre Fleischalternativen als «veganes Schwein» und «Pulled Pork». Dadurch werden die Konsumenten getäuscht, findet der Bund. Das müssen Sie zum Streit wissen.

Wer in den Supermarkt geht, hat die Qual der Wahl: zwischen herkömmlichem Poulet von Hühnern, die auf dem Bauernhof gelebt haben, und veganem «Poulet», das aus pflanzlichen Proteinen besteht. Die Nennung von Tierarten bei der Vermarktung von Fleischersatzprodukten ist jedoch umstritten. So umstritten, dass sich am Freitagmorgen das Bundesgericht an einer seiner seltenen öffentlichen Verhandlungen dem Thema annimmt.

Warum befasst sich das Bundesgericht mit veganem «Fleisch»?

Grund ist ein Rechtsstreit aus Zürich, der 2021 seinen Anfang nahm: Die kantonale Lebensmittelkontrolle beanstandete nach einer Inspektion verschiedene Produktbezeichnungen der Firma Planted mit Sitz in Kemptthal ZH. Konkret geht es um vegane Fleischersatzprodukte wie «planted.chicken» und «planted.pulled BBQ», die auf Tierarten verweisen. Die Lebensmittelkontrolleure forderten Planted dazu auf, Beschriftungen wie «Güggeli», «veganes Schwein» oder «wie Poulet» nicht mehr zu verwenden.

Dagegen wehrte sich der Fleischersatz-Hersteller. Während er bei der Zürcher Gesundheitsdirektion mit einer Beschwerde abblitzte, gab das kantonale Verwaltungsgericht dem Start-up Recht. Nach Ansicht des Gerichts liegt keine Täuschung der Kundschaft vor. Es traut den Konsumentinnen und Konsumente zu, die veganen Alternativen dank den Informationen auf der Verpackung genügend gut von echtem Fleisch unterscheiden zu können.

Fall erledigt? Von wegen! Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts reichte das Eidgenössische Departement des Innern – damals unter der Leitung von Bundesrat Alain Berset (SP) – beim Bundesgericht Beschwerde ein.

Weshalb mischte sich der Bund ein?

Das Innendepartement sieht die Konsumentinnen und Konsumenten getäuscht und die rechtlichen Vorgaben verletzt. Es stützt sein Vorgehen mitunter auf ein Informationsschreiben des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Dieses listete 2021 zuhanden der kantonalen Lebensmittelkontrolleure auf, was im Umgang mit Fleischersatzprodukten aus rechtlicher Sicht zulässig ist und was nicht, um eine einheitliche Auslegung zu ermöglichen.

Laut dem Dokument stellt die Nennung einer Tierart – wie im Fall der Planted-Produkte – eine unerlaubte Täuschung dar. Auch für andere Anwendungsfälle, um die es nun aber vor Bundesgericht nicht direkt geht, versuchte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen Klarheit zu schaffen: Spezifische Bezeichnungen für Fleischerzeugnisse wie Salami, Schinken oder Wienerli sind demnach für vegetarische Alternativen verboten. Allgemeinere Begriffe – auch wenn sie traditionell mit Fleisch assoziiert werden – dürfen dagegen verwendet werden. Offiziell zulässig sind Bezeichnungen wie «vegetarisches Steak», «veganer Burger» oder «vegetarische Wurst».

Wie argumentieren die Bundesrichterinnen und -richter?

+++ Ab Freitag um 10 Uhr, wenn das Bundesgericht seine Sitzung eröffnet, halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden +++

Ist der Fall Neuland für die Justiz?

Für das Bundesgericht dürfte es das erste Mal sein, dass die Frage nach veganen «Güggeli» auf dem Tisch landet. Das Eidgenössische Departement des Inneren erhofft sich durch den Entscheid denn auch mehr Rechtssicherheit – mitunter für künftige Anwendungsfälle.

Derweil hat sich der Europäische Gerichtshof bereits letztes Jahr mit dem Thema beschäftigt. Er entschied Anfang Oktober 2024, dass Ausdrücke wie «vegane Wurst» oder «vegetarischer Burger» erlaubt bleiben müssen – sofern die Inhaltsstoffe klar deklariert sind und die EU-Mitgliedsländer nicht rechtlich festgelegt haben, was eine Wurst oder ein Burger genau sind. Das Urteil war ein Erfolg für den US-Fleischersatzhersteller «Beyond Meat». Er hatte sich gegen ein Dekret der französischen Regierung gewehrt, die für pflanzliche Produkte die Verwendung von mit Fleisch assoziierten Bezeichnungen verbieten wollte.

Warum geht der Streit trotz Bundesgerichtsurteil weiter?

In der Schweiz beschäftigt die Frage, was als Fleisch bezeichnet werden darf, längst nicht nur die Justiz, sondern auch die Politik. Im vergangenen Dezember hat das Walliser Kantonsparlament eine Motion mit dem Titel «Ein Steak ist ein Steak!» angenommen. Der von bürgerlichen Kreisen lancierte Vorstoss verlangt zwar nicht ein Verbot für vegane oder vegetarische Lebensmittel, die den Namen von Fleischwaren tragen. Er will jedoch die Werbung für besagte Produkte untersagen. Die Walliser Regierung muss nun eine Gesetzesänderung und eine Liste der betroffenen Begriffe ausarbeiten.

Im Kanton Waadt wurde Anfang dieses Jahres eine gleichlautende Motion eingereicht. Sie wird nun von der zuständigen parlamentarischen Kommission behandelt. Für Diskussionen zwischen Fleischliebhabern und Liebhabern von veganem «Fleisch» ist also auch in Zukunft gesorgt.