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«Die Kirche hat schon PR gemacht, bevor die Medien überhaupt existiert haben»

Giuseppe Gracia war Pressesprecher der Bistümer Basel und Chur, heute ist er Kommunikationsberater und schreibt Bücher. Im zt Talk sagt wer, warum die Kirche eine Meisterin der Inszenierung ist – und weshalb er sich gegen Antisemitismus engagiert. 

Die Krankheit und der Tod von Papst Franziskus dominierten während Tagen die Schlagzeilen weltweit. Auch nächste Woche, wenn ein neuer Pontifex gewählt wird, wird die Welt wieder nach Rom blicken. Woher kommt diese Aufmerksamkeit für eine Institution, mit der immer mehr Menschen im Westen nichts zu tun haben wollen? Giuseppe Gracia, ehemaliger Pressesprecher der Bistümer Basel und Chur, hat eine mögliche Antwort darauf: Die Kirche ist seit Jahrtausenden eine «absolute Meisterin der Inszenierung» – einer Inszenierung, die der heutigen Medienmechanik entspricht.

 «In der ersten Lektion meiner PR- und Marketing-Ausbildung habe ich den Satz gehört: ‹Alles, was wir hier machen, haben wir der Kirche abgekupfert.›» Corporate Communication, Corporate Design, Corporate Behaviour: In all den Dingen, in denen es darum geht, Zeichenhandlungen zu setzen, verstehe sich die Kirche auf Inszenierungen. «Ein Beispiel ist der schwarze und weisse Rauch beim Konklave. Und jeden Sonntag wird im Gottesdienst die gleiche Geschichte wieder erzählt.» – «Die Kirche hat schon PR gemacht, bevor die Medien überhaupt existiert haben.»

Mit dem verstorbenen Papst verbindet Gracia das Einstehen gegen den Antisemitismus, über den er ein Buch publiziert hat, mit dem es im Mai und Juni diverse Lesungen gibt, unter anderem am 8. Mai in Aarau (siehe Box).

Im Antisemitismus sei auch der Wunsch enthalten, «Gott und seine Regeln loszuwerden», wie Gracia sagt. Der Gedanke, dass der Mensch sein Leben und seine Existenz einem Schöpfergott verdanke, sei mit den Juden verbunden, weil diese die Transporteure dieses Gedankens seien. «Wenn er zutrifft, dann bin ich nicht mehr der Chef. Ich kann nicht über den Sinn des Lebens entscheiden. Auch nicht über meinen Leib. Ich bin ein Mann – keine Frau». Für viele sei das ein bleibendes, «fürchterliches» Ärgernis. «Das muss weg. Man will selber Chef werden.» Der Mensch wolle alles selber definieren – auch das Sterben. «Noch radikaler: ‹Die Pointe deines Lebens ist, dass du nicht die Pointe bist. Sondern: Der Sinn liegt ausserhalb von dir.› Dieser Gedanke ist heute eine riesige Provokation.»

Buch und Lesung am 8. Mai in Aarau

Giuseppe Gracia: «Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen. Warum der Antisemitismus uns alle bedroht.» Fontis-Verlag, 2025. Die Lesung am 8. Mai im Aarau findet in der Fontis-Partnerbuchhandlung an der Rathausgasse 23 statt und beginnt um 18 Uhr.