
Im Kampf gegen die AfD werden deutsche Politiker härtere Bretter bohren müssen
Der Wunsch nach einem fürsorglichen, alles regelnden Staat ist in Deutschland weiter verbreitet als in den meisten Ländern des Westens. Auch im Kampf gegen hässliche Gedanken würden manche am liebsten auf Dekrete von oben setzen: So ertönen derzeit vermehrt Forderungen nach einem Verbot der AfD.
Auch Äusserungen des Bundespräsidenten wurden entsprechend interpretiert: «Wir haben es selbst in der Hand, die Verächter unserer Demokratie in die Schranken zu weisen», hatte Frank-Walter Steinmeier in einem Gastbeitrag für den «Spiegel» geschrieben.
Extremisten geben den Ton an
Der Wunsch, sich der AfD zu entledigen, ist verständlich: Anders als die SVP ist sie eben keine bürgerlich-konservative Partei mit populistischem Einschlag, an deren Rand ein paar schräge Vögel herumturnen. Vielmehr geben die Extremisten in der AfD längst den Ton an.
Mehrere Kandidaten für die Wahl zum EU-Parlament glauben an die Verschwörungstheorie vom «Grossen Austausch», wonach Europas politische Eliten die angestammte Bevölkerung durch Zuwanderer aus Afrika und dem Nahen Osten ersetzen wollten. Der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland verharmloste die Nazi-Diktatur als «Vogelschiss»; AfD-Mitglieder beteiligten sich an Putschplänen sogenannter Reichsbürger.
Trotzdem wäre ein Verbotsverfahren der falsche Weg. Zum einen, weil es kaum erfolgreich sein dürfte: Die Autoren der deutschen Verfassung gingen zu Recht davon aus, dass auch extremistische Positionen möglichst im Rahmen des politischen Wettbewerbs bekämpft werden sollten.
Entsprechend hoch setzten sie die Hürden an, die für ein Parteiverbot übersprungen werden müssen. Am Ende dürfte von einem Verbotsversuch vor allem die AfD profitieren: Zunächst könnte sie sich als Opfer darstellen, um schliesslich auf einen richterlichen Persilschein zu verweisen.
Doch selbst wenn ein Verbotsverfahren erfolgreich wäre: Was wäre damit gewonnen? Die Annahme, dass die bisherigen AfD-Anhänger dann wieder CDU, SPD oder Linkspartei wählen würden, ist naiv.
Ein Wechsel ins Lager der Nichtwähler wäre wohl noch das Beste, worauf die anderen Parteien hoffen könnten. Viele AfD-Anhänger dürften sich noch radikalere Alternativen suchen, etwa die rechtsextreme «Heimat» (früher NPD), gegen die zwei erfolglose Verbotsverfahren angestrengt wurden. Schlimmstenfalls könnte der Rechtsterrorismus Zulauf erhalten.
Es fehlt an argumentativer Präzision
Dass ein mögliches Verbot auf manche Politiker verführerisch wirkt, überrascht nicht: Eigentlich müssten sie die AfD in der Debatte stellen, doch das ist mühselig und würde mehr argumentative Präzision erfordern, als viele sie derzeit aufbringen. So erhoben sich etwa Stürme der Entrüstung, als die AfD ein «Europa der Vaterländer» forderte und sichihr thüringischer Landeschef Björn Höckegegen die Inklusion, also die Teilnahme behinderter Kinder am regulären Unterricht, aussprach.
Höcke ist zweifellos ein Rechtsextremer. Das lässt sich an zahlreichen Äusserungen belegen, doch an seiner Position zur Inklusion eben nicht: Auch Christdemokraten und Liberale haben sich in der Vergangenheit entsprechend geäussert. Ähnlich verhält es sich mit dem «Europa der Vaterländer», einem Konzept Charles de Gaulles.
Erklärt man konservative Positionen rückwirkend für extremistisch, nur weil die AfD sie übernommen hat, macht man es sich nicht nur allzu einfach, sondern vermittelt auch konservativen Wählern den Eindruck, man halte sie für rechtsradikal. Im Kampf gegen die AfD werden deutsche Politiker härtere Bretter bohren müssen, als sie dies derzeit tun.