
Steuergesetz-Abstimmung: Profitiert der Mittelstand oder geht er leer aus?
Pro von Andy Steinacher (SVP): Ja zu einem attraktiven Wohn- und Wirtschaftskanton Aargau
Aufgrund eines Gerichtsentscheides muss der Kanton Aargau die Tarife beim Schätzungswesen anpassen. In der Folge werden Liegenschaften höher geschätzt und der Eigenmietwert steigt. Ab 1. Januar 2025 müssen Steuerzahlerinnen und -zahler 190 Millionen Franken zusätzlich an Kanton und Gemeinden abliefern. Geld, das der Kanton gar nicht benötigt. Mit einem Ja zum Steuergesetz werden 150 Millionen Franken an die Steuerzahler zurückfliessen.
Dieses Steuergesetz bringt Entlastungen für Liegenschaftseigentümerinnen und -eigentümer sowie für Familien mit Kindern. Aufgrund der höheren Vermögensfreigrenze wird auch der Mittelstand ohne Wohneigentum entlastet.
Die Kinderabzüge bei den Steuern werden erhöht. Neu können für jedes Kind bis zum vollendeten 14. Altersjahr 9300 Franken, bis zum vollendeten 18. Altersjahr 10’300 Franken und jedes volljährige Kind in Ausbildung 12’400 Franken abgezogen werden.
Der Maximalabzug für Kinderbetreuungskosten wird um 15’000 Franken, auf neu 25’000 Franken erhöht, sowie eine Reduktion aufgrund Teilpensums abgeschafft. Für berufsorientierte Aus- und Weiterbildungskosten kann neu ein Abzug von 18’000 Franken geltend gemacht werden. Auch wird der Steuertarif für Vereine und Stiftungen von 6 auf 5,5 Prozent gesenkt. Der Grosse Rat hat dem Steuergesetz am 3. Dezember 2024 mit 93 zu 39 zugestimmt.
Ohne Nachteile für den Rest
Es profitieren über die Hälfte der Aargauerinnen und Aargauer, der Rest hat aber keine Nachteile. Weil die Steuergesetzrevision durch die Mehreinnahmen vom Schätzungswesen finanziert wird.
Viele Eigenheimbesitzer haben fast ein Leben lang jeden möglichen Franken als Altersvorsorge in ihr Haus investiert. Jetzt müssen diese Eigenheimbesitzer plötzlich Vermögenssteuern zahlen oder merklich mehr. Dazu kommt die Erhöhung des Eigenmietwertes. Das Einkommen ist immer noch dasselbe. Diese Menschen werden mit diesem Steuergesetz entlastet, indem man die Vermögensfreigrenze anhebt, zusätzlich werden die Steuertarife gesenkt.
Es ist so, dass dieses Steuergesetz auch den Vermögenden zugutekommt, denn diese bezahlen zum grossen Teil die Mehreinnahmen beim Schätzungswesen. Tatsache ist, eine Steuererleichterung kann nur Steuerzahlenden gewährt werden, die auch Steuern bezahlen.
Der Kanton Aargau steht finanzpolitisch sehr solid da. Die Schulden von über 2 Milliarden Franken konnten in den vergangenen Jahren komplett abgebaut werden. In der Ausgleichsreserve des Kantons liegen mittlerweile über 1,1 Milliarden Franken – 1100 Millionen Franken! Der Kanton Aargau schwimmt buchstäblich im Geld. Es ist nicht Aufgabe des Kantons, auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weiter staatliches Vermögen anzuhäufen. Dieses Steuergesetz ist ausgewogen und wird den Aargau im interkantonalen Vergleich attraktiver machen.
Dieses Steuergesetz unterstützen die SVP, FDP, die Mitte, GLP, AIHK, Gewerbeverband, Bauernverband und Gemeindeammänner-Vereinigung. Darum stimmen auch Sie JA, für einen attraktiven Wohn- und Wirtschaftskanton Aargau.
Contra von Carol Demarmels (SP):Mittelstand bezahlt Steuersenkungen für die Reichen

Bild: Raphaël Dupain
Mit der Steuergesetzrevision werden 150 Millionen Franken an die Bevölkerung rückverteilt. Was verlockend klingt, entpuppt sich schnell als einseitige Umverteilung an die Wohlhabendsten, der breite Mittelstand geht leer aus. Die Familien, die unter steigenden Kosten leiden, werden mit ein paar Franken abgespeist, Alleinstehende bleiben unberücksichtigt – freuen können sich jene, deren Konto schon heute prall gefüllt ist.
In die Senkung der Vermögenssteuer – das Herzstück der Revision – fliessen fast 80 Prozent der Gelder. Wer – wie die meisten Aargauerinnen und Aargauer – weniger als 224’000 Franken (Familien) oder 100’000 Franken (Alleinstehende) auf dem Konto hat, geht hier leer aus. Wer dagegen 10 Millionen Franken besitzt, spart künftig über 10’000 Franken Steuern pro Jahr. Besonders stossend: Ab einem steuerbaren Vermögen von 428’000 Franken soll die Progression sogar ganz abgeschafft werden. Ein klarer Angriff auf das verfassungsmässige Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit.
Ursprünglich sollte die Revision gezielt Hausbesitzende entlasten, die aufgrund des Schatzungswesens ab 2025 erhöhte Steuern zahlen, denn da kommt das Geld her. Die Revision verpasst das gesetzte Ziel: 50 Prozent der Hausbesitzenden werden unterm Strich mehr bezahlen.
Steuererleichterungen: Wer profitiert wirklich?
Die Realität dieser Revision sieht so aus: Von 20 Steuerzahlenden gehen 10 komplett leer aus, 4 erhalten ein paar wenige Franken im Monat – während die zwei Reichsten sich über tausende, gar hunderttausende Franken Steuerersparnis freuen dürfen. Die übrigen 4? Das sind diejenigen, die in der Abstimmungsbroschüre als Musterbeispiele präsentiert werden. 80 Prozent der Bevölkerung bleiben dabei unsichtbar in der Broschüre – all jene, die nichts, fast nichts oder im Übermass profitieren.
Gelockt wird die Bevölkerung mit höheren Kinderabzügen – der klassische «Kinderabzugs-Bschiss»: Bereits vor fünf Jahren wurde dieser national sehr deutlich abgelehnt. Denn Familien mit hohen Einkommen profitieren überproportional, während der Mittelstand kaum etwas davon spürt. Auch höhere Drittbetreuungsabzüge und kleine Erleichterungen für Vereine ändern daran nichts – sie machen nur einen minimalen Teil der Revision aus.
Entlastung für den echten Mittelstand
Wenn Kanton und Gemeinden wirklich 150 Millionen Franken verteilen, gäbe es weitaus bessere Wege: eine gezielte Entlastung von Alleinerziehenden, Familien und Alleinstehenden mit tiefen bis mittleres Einkommen, die unter steigenden Mieten, Krankenkassenprämien und erhöhten Steuern leiden – dem wahren Mittelstand.
Zudem sind viele Gemeinden bereits jetzt unter Druck und müssen die Steuersätze erhöhen, um den Finanzhaushalt im Gleichgewicht zu halten und dringende Investitionen zu stemmen. Während die Kantonsfinanzen stabil sind, können es sich viele Gemeinden schlichtweg nicht leisten, nun hohe Geldbeträge an die Wohlhabendsten zu verteilen. Wird der Steuersatz dadurch erhöht, betrifft dies dann alle im Aargau.
Ein Nein ebnet den Weg für eine Steuerpolitik für alle Aargauerinnen und Aargauer – statt Privilegien für wenige.