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Kein Ständemehr für neue Verträge mit der EU? Das passt den Aargauer SVP-Nationalräten gar nicht

Der Bundesrat hat beschlossen, die Abstimmung über die Bilateralen dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Das heisst, es wäre kein Ständemehr nötig, wenn das Volk zustimmt. Die sieben SVP-Nationalräte aus dem Aargau bitten die Kantonsregierung in einem offenen Brief um Hilfe.

Die Verhandlungen über die Modernisierung der Bilateralen sind im vergangenen Dezember abgeschlossen worden.Die Abstimmung darüber wird frühestens im Jahr 2027– wahrscheinlicher aber sogar erst 2028 – über die Bühne gehen.

Die Frage nach Art und Ausprägung der sogenannten institutionellen Anbindung an die EU dürfte die Politikerinnen und Politiker in Bern in den kommenden Monaten und Jahren stark beschäftigen.

Die Bilateralen werden schlussendlich im Bundesgesetz verankert. Bundesgesetze sind grundsätzlich dem vorgängigen fakultativen Referendum unterstellt. Das Volk kann also eine Volksabstimmung über das Gesetz verlangen, bevor dieses in Kraft tritt.

Ende April hat der Bundesrat entschieden, die völkerrechtlichen Verträge mit der Europäischen Union (EU) dem fakultativen Staatsvertragsreferendum zu unterstellen. In einer Mitteilung hielt er fest, dass «das fakultative Referendum verfassungsrechtlich die am besten abgestützte und politisch tragfähigste Lösung» darstelle.

Aargauer Regierung soll sich «unmissverständlich» zum Ständemehr bekennen

Und das passt den sieben Mitgliedern des Nationalrats gar nicht. Genauer gesagt sind es jene, die für den Aargau in der grossen Kammer sitzen und der SVP angehören. Namentlich Thomas Burgherr, Alois Huber, Andreas Glarner, Stefanie Heimgartner, Benjamin Giezendanner, Christoph Riner und Christian Glur.

Die sieben Aargauer SVP-Nationalräte von links nach rechts: Thomas Burgherr, Alois Huber, Andreas Glarner, Stefanie Heimgartner, Benjamin Giezendanner, Christoph Riner, Christian Glur.
Bild: zvg

Deshalb haben sie dem Regierungsrat des Kantons Aargau einen Brief geschrieben. Darin schreiben die SVP-Nationalräte, dass sie es falsch finden, dass die Verträge nur dem fakultativen Referendum unterstellt werden sollen. Dies aus folgenden zwei Gründen:

Der Vertrag kommt nur zur Abstimmung und somit vor das Volk, wenn das Referendum dagegen aktiv und erfolgreich ergriffen wird. Das heisst, wenn in 100 Tagen erfolgreich 50’000 Unterschriften gesammelt werden.

Mit dem fakultativen Referendum braucht es (nach Zustandekommen des Referendums) bei einer Volksabstimmung kein Ständemehr.

Das fehlende Ständemehr bei einem fakultativen Referendum ist den SVP-Nationalräten ein grosser Dorn im Auge. Sie schreiben im Brief an die Aargauer Regierung weiter: «Die Tatsache, dass die Eidgenossenschaft durch das Volk und die Kantone gebildet wird, lässt keinen anderen Schluss zu, als dass Fragen zu institutionellen Anbindungen an einen Staatenverbund mit weitreichender verfassungsähnlicher Wirkung zwingend die Zustimmung von Volk und Ständen benötigen.»

Deshalb bitte man den Aargauer Regierungsrat, «sich bei Fragen mit solcher Tragweite unmissverständlich zum Ständemehr und somit zum obligatorischen Referendum zu bekennen». Dies ganz unabhängig davon, wie man zur Sachfrage stünde, ergänzen sie. Damit würde ein zentrales Element des schweizerischen Politsystems gestärkt.

SVP Aargau plant eine Standesinitiative

Am Montag ist bekannt geworden, dass die SVP Aargau zu diesem Thema eine Standesinitiative plant. Nicht nur das Volk, sondern auch die Kantone sollen die Verträge absegnen können. Grossrätin und Parteisekretärin Barbara Borer-Mathys sagte gegenüber dem TV-Sender Tele M1: «Es geht um fremde Richter, um zentrale Fragen für unser Land. Deshalb ist es aus unserer Sicht zwingend, dass die Stände eine Stimme haben.» Borer-Mathys wittert sogar einen Frontalangriff auf das föderalistische System der Schweiz.

Ob das Powerplay der SVP überhaupt nötig ist, scheint indes fraglich: Unabhängig von der geplanten Standesinitiative und dem offenen Brief der SVP-Nationalräte entscheidet ohnehin das Bundesparlament über die Abstimmungsmodalitäten.