Sie sind hier: Home > Migration > SVP wettert gegen die Schutzklausel, obwohl sie ein Herzensanliegen erfüllt

SVP wettert gegen die Schutzklausel, obwohl sie ein Herzensanliegen erfüllt

Dank der neuen Verträge mit der EU kann der Bundesrat die Zuwanderung eigenmächtig einschränken. Damit setzt er die Masseneinwanderungsinitiative mit elfjähriger Verspätung um. Doch die SVP ist noch immer nicht zufrieden.

Es sind Beschwerden, die auch der Bundesrat kennt: mehr Verkehr, weniger freie Wohnungen, zugebaute Natur. Wie viele Menschen verträgt die Schweiz? Die SVP hat eine klare Antwort parat: Sie will die ständige Wohnbevölkerung in der Schweiz bis 2050 auf 10 Millionen Menschen beschränken. Die Partei stört sich seit Jahren an der «unkontrollierten Zuwanderung», die alle Lebensbereiche negativ beeinflusse. Die «10-Millionen-Schweiz-Initiative» soll diese stoppen.

Jetzt kommt ihr der Bundesrat zuvor: Über eine Schutzklausel im Abkommen mit der EU will er die Zuwanderung selbst regulieren, wenn «schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale Probleme» vorliegen –beispielsweise wegen steigender Staustunden oder fehlender Mietwohnungen.

Doch die SVP will von diesen Massnahmen nichts wissen. Sie betitelt das Vorgehen des Bundesrats als «Schutzklausel-Bschiss», weil sich die neue Schutzklausel nicht von der alten unterscheide. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sagt: «Bisher hat der Bundesrat die Schutzklausel nie angerufen. Daran wird sich nichts ändern. Denn die Triggerpunkte sind dieselben wie bis anhin.»

Es stimmt: Die Voraussetzung für eine Anrufung der Schutzklausel bleibt, dass die Zuwanderung in der Schweiz schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Probleme verursacht. Neu ist allerdings der Mechanismus: Um Massnahmen umzusetzen, ist die Schweiz nicht mehr auf das Einverständnis der EU angewiesen. Ein eigenmächtiges Vorgehen würde heute zum Bruch mit den bilateralen Verträgen führen. Neu ist es rechtlich abgesichert, wie der zuständige Bundesrat Beat Jans erklärt.

Thomas Aeschi hält dagegen: Im neuen Abkommen über die Personenfreizügigkeit stehe nichts von einer Möglichkeit der Schweiz, die Zuwanderung einzuschränken. Zudem gebe es keine Garantie für die Umsetzung von Massnahmen. «Der Bundesrat muss zwar die Anrufung der Schutzklausel prüfen, ob er es tut, ist ihm weiterhin selbst überlassen.»

Täuschungsmanöver oder genialer Schachzug?

Die Situation birgt eine gewisse Ironie: Die SVP kritisiert seit elf Jahren, dass die damals angenommene Masseneinwanderungsinitiative nie umgesetzt wurde. Jetzt kommt der Bundesrat der Forderung nach Höchstzahlen und Schwellenwerten für die Zuwanderung endlich nach – und die SVP wehrt sich mit Vehemenz dagegen.

Was ist da los? Aeschi spricht von einem «grossen Täuschungsmanöver». Über die Schutzklausel wolle der Bundesrat die neu ausgehandelten Verträge dem Volk verkaufen. Dabei bleibe sie wirkungslos. Es brauche darum die SVP-Initiative, um die Zuwanderung zu stoppen.

Bundesrat Beat Jans erklärt auf den Vorwurf gelassen, die Schutzklausel und die neuen Verträge seien das «Gegenrezept» zur SVP-Initiative. Letztere hätte die Aufkündigung des bilateralen Wegs zur Folge und würde den Handlungsspielraum der Schweiz komplett einschränken.

Der Bundesrat halte das auch angesichts der aktuellen Weltlage für keine gute Lösung. Jans: «Die Schutzklausel ermöglicht uns das Gegenteil: Wir erweitern unseren Handlungsspielraum, indem wir die bilateralen Verträge stabilisieren und gleichzeitig ein griffiges Instrument erhalten, um die Zuwanderung zu steuern.»