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Babylonisches Moderationsgewirr und Brutalobässe: Die Arena plus im Basler Joggeli war am Samstag der «place to be»

Rund 36’000 Menschen feierten beim wohl grössten Public Viewing der ESC-Geschichte einen Musikmarathon. Österreichs JJ holte sich den Sieg und die Host City die Gewissheit, fast alles richtig gemacht zu haben.

Die Enttäuschungen zuerst: Lumo war nicht zu sehen, Céline Dion nicht zu hören und Sven nicht stummzukriegen. Gemessen an der epischen Länge der Show, die Basel als ESC-Gastgeberstadt im St. Jakob-Park auf Kubusbühne und Vierfachleinwand wuchtete, sind zumindest das Fernbleiben des Maskottchens mit den höllischen Haaren und des Stars mit der himmlischen Stimme absolut verkraftbar.

Dass man sich bei der Über­tragung der Finalshow aus der benachbarten Halle (Text rechts) am Samstagabend für den TV-Ton mit dem Kommentar von Sven Epiney entschied, kann jedoch nur als «Fail» bezeichnet werden. Oder deutlicher und weniger neudeutsch: als skandalöser Fehlentscheid. Schliesslich war schon nach den Halbfinals bemängelt worden, dass man unter dem Dauergeplaudere die Moderationen von Sandra Studer und Hazel Brugger (sowie am Finalabend als wenig zwingende Ergänzung Michelle Hunziker) nur noch erahnen konnte.

Einen Zweikanalton, um Epiney wegzu­drücken, gab es im wohl grössten Public Viewing der ESC-Geschichte nicht. Wer sich einen der 36’000 Plätze im Arena plus getauften Joggeli ergattern konnte, musste also des Schweizerdeutschen mächtig sein, um dem babylonischen Sprachgewirr einen Sinn abringen zu können. Pfiffe ertönten. Dennoch: Drei Kritikpunkte in sechs Stunden sind keine schlechte Quote.

Klatschen auf Kommando und der Höhepunkt der Punktvergabe

Immerhin als Anheizer an der Seite von Mélanie Freymond gab Sven Epiney eine gute Figur ab. Zumal die Aufgabe des Duos darin bestand, die anwesenden Feierfreu­digen in regelmässigen Abständen auf möglichst vielen Sprachen zu fragen, ob sie parat, ready und prêt seien für das folgende Spektakel. Und sie daran zu erinnern, dass man bei den Einblendungen aus der Arena so lange zu klatschen und jubeln habe, bis man wieder abgewunken werde.

Dabei wären diese Anweisungen gar nicht nötig gewesen angesichts einer Show-Dramaturgie, die sich mit gutem Zug dem obligaten Höhepunkt, der Punktevergabe, entgegen arbeitete. Um 19 Uhr – das Joggeli war trotz faktisch fehlender Einlasskontrollen zu diesem Zeitpunkt erst zu einem Drittel gefüllt – fiel Anna Rossinelli die Ehre und Bürde des ersten Songs zu. Das nach seiner Sängerin benannte Basler Trio wurde von Freymond und Epiney konsequent als Solo-Act angesagt und vom Publikum freudig beklatscht.

Sven Epiney und Mélanie Freymond wärmen das Publikum in der Arena plus auf.
Bild: Kenneth Nars
Am späten Nachmittag füllt sich der zur Arena plus umgestaltete St. Jakob-Park.
Bild: Kenneth Nars
Lokalmatadorin Anna Rossinelli bei ihrem Auftritt im Joggeli.
Bild: Kenneth Nars
Baby Lasagna heizt den Leuten im Joggeli ein.
Bild: Kenneth Nars
Nemo zu Beginn der ESC-Übertragung.
Bild: Kenneth Nars
Auftritt von Zoë Më.
Bild: Kenneth Nars
Alle singen zusammen «Waterloo» im Joggeli.
Bild: Kenneth Nars
Auftritt von Marc Sway in der Arena plus.
Bild: Kenneth Nars
Das grosse und lange Voting.
Bild: Kenneth Nars
Nach dem Ende der Show im Joggeli gab es in der Arena plus ein Feuerwerk.
Bild: Kenneth Nars

Die beiden ab Konserve dargebotenen Songs «Somebody Like You» und «Heat» waren der Startschuss für das Wettrüsten, das sich die kommenden Acts – Luca Hänni, Baby Lasagna und Kate Ryan – insbesondere in den Bässen lieferten. Stilbedingt punktete der Baselbieter DJ Antoine mit einem Medley aus eigenen und fremden Hits beim Publikum am meisten. Seine Einlage mündete auf die Sekunde pünktlich in die vergleichsweise schwachbrüstige Eurovision-Fanfare, welche die eigentliche Show ankündigte.

Differenzler-Nachhilfe, Andacht und ein gemeistertes Cis3

Danach bekam man in der Arena plus viel Arena und wenig plus im Vergleich zur TV-Show. Man grölte zu «Tutta L’Italia» und «Bara Badu Bastu», amüsierte sich daran, dass ausgerechnet die Pornopop-Finnin Erika Vikman zur Differenzler-Nachhilfe geschickt wurde, litt mit den Britinnen (die später wie die Schweiz mit «zero points» vom Publikum abgewatscht wurden) und freute sich mit dem Österreicher, der anders als im Halbfinale sein hohes Cis3 meisterte und sich so an die ESC-Spitze sang.

Im heimischen Beitrag von Zoë Më kehrte – wie auch beim starken Song aus Israel – kurzzeitig fast andächtige Ruhe ein in der Arena. Die im Vorfeld endlos geprobte Karaoke-Einlage mit Abbas «Waterloo» – ein Weltrekordversuch unklarer Ausrichtung – gelang hingegen nur mässig, war aber von den Machern wohlweislich auf Minimal­länge gestaucht worden.

Am Ende blieb das wohlige Gefühl, als Gastgeberstadt fast alles richtig gemacht zu haben. Bei der mit genügend Tempo durchgepaukten Punktever­gabe überliess Epiney das Wort endlich den drei Moderatorinnen. Und an Lumo oder Céline Dion mochte nach 360 Minuten optischer und akustischer Dauerbespassung niemand mehr denken.