
Grüne werden in Zofingen abgestraft – Stadtrat wird bürgerlicher
Vor vier Jahren ritt die Stadt Zofingen voll auf der grünen Welle, die während der Corona-Jahre besonders hoch schlug. Die grüne Stadträtin Christiane Guyer erreichte bei den Erneuerungswahlen das beste Resultat und brachte sich in perfekte Ausgangslage, die erste Stadtpräsidentin der Thutstadt zu werden. Heute ist die grüne Welle abgeebbt – nicht nur in Zofingen. Am stärksten zu spüren bekommen hat dies Stadtpräsidentin Christiane Guyer: Sie wurde knapp abgewählt.
In den vergangenen vier Jahren musste sich die Stadtpräsidentin und ihr Stadtrat immer wieder bürgerlichem Gegenwind stellen. Vorlagen seien nicht sorgfältig genug ausgearbeitet und es werde zu viel Geld ausgegeben – insbesondere auch für linke und grüne Projekte, kritisierte der Einwohnerrat. Unter diesen Vorzeichen erstaunt es, dass Christiane Guyer nicht einen intensiveren Wahlkampf geführt hat. Ausser auf dem gemeinsamen Plakat aller Stadtratsmitglieder war Guyer kaum sichtbar. Fühlte sie sich zu sicher? Ging sie davon aus, dass sie als Stadtpräsidentin sowieso wiedergewählt wird?
Vielleicht fehlte auch einfach die Unterstützung von Seiten der Partei, denn schon bei den Grossratswahlen im Herbst 2024 führten die Grünen einen schwachen Wahlkampf und bezahlten dies mit dem Verlust von vier Grossratssitzen – einer davon im Bezirk Zofingen. Christiane Guyer erzielte damals allerdings noch ein gutes persönliches Resultat und landete auf dem ersten Ersatzplatz. Dies konnte sie am Sonntag nicht wiederholen.
Christiane Guyer war nicht die einzige Kandidierende, die eine ruhige Kugel schob. Denn dass in Zofingen Wahlkampf war, war in den letzten Wochen mit wenigen Ausnahmen kaum wahrnehmbar. Wer mehr als nur das Nötigste investierte, konnte entsprechend ernten. Sei dies SP-Kandidat Lukas Fankhauser mit dem besten Wahlergebnis oder der neugewählte FDP-Kandidat André Kirchhofer. Zugegeben: Als Präsident der einwohnerrätlichen Finanz- und Geschäftsprüfungskommission hatte Kirchhofer eine gute Ausgangslage, war in den Medien und in den Köpfen der Zofingerinnen und Zofinger bereits präsent. Trotzdem war er während seines Wahlkampfes nicht nur auf Plakaten und in Zeitungsinseraten, sondern auch auf Social Media und bei Veranstaltungen aktiv. So schaffte er es, dass im Zofinger Stadtrat neu zwei FDP-Vertreter sitzen.
Was ändert sich ab nächstem Jahr, wenn der Zofinger Stadtrat einen bürgerlichen Vertreter mehr und eine grüne Vertreterin weniger hat? Ob der Stadtrat weiterhin eine preisgekrönte Strassenraumneugestaltung mit viel Grün und zusätzlichen Bäumen befürwortet, so wie sie aktuell am Eisengrubenweg und an der Oberen Mühlemattstrasse geschieht, ist offen. Auf der anderen Seite werden die Gwerbler in der Altstadt weniger Angst haben müssen, dass Parkplätze gestrichen werden – und Erhöhungen des Stellenetats in der Verwaltung dürften es künftig auch schwerer haben. Da aber weder die beiden SPler noch die beiden FDPler alleine eine Mehrheit bilden, werden die Stadträte, die eher im mittleren Spektrum politisieren, noch öfter das Zünglein an der Waage spielen.
Gewählt wurde am Sonntag nicht nur in Zofingen, sondern auch in Aarburg, Oftringen und Rothrist – und auch da mit überraschenden Resultaten. In Aarburg hat Henry Löw, der erst seit 1. April Stadtrat ist, das zweitbeste Resultat erreicht, in Oftringen gehört erstmals ein Secondo mit türkischen Wurzeln dem Gemeinderat an. Und in Rothrist gibt es zum ersten Mal eine Frau an der Spitze der Exekutive. Das ist zwar nicht überraschend – aber so historisch wie vor vier Jahren die Wahl von Christiane Guyer zur ersten Stadtpräsidentin von Zofingen.