
Kapitulieren die Behörden vor dem Crack-Elend? Städte ziehen ernüchterndes Fazit
Es wird Sommer. Und damit werden auch viele Probleme wieder sichtbarer: Der Drogenkonsum, der sich über die Wintermonate in die geschlossenen Räume verlagert hat, findet wieder auf öffentlichen Plätzen statt. Dabei ist seit geraumer Zeit Crack die dominierende Droge. Geraucht führt diese Mischung aus Kokain und Natron zu einem kurzen, aber heftigen Rausch.
Wer Crack konsumiert, braucht deutlich öfter und mehr Stoff, um seine Sucht zu befriedigen, als das etwa bei Heroin der Fall ist. Das wiederum führt zu einem grösseren Beschaffungsstress für viele Süchtige – und so bildeten sich in Städten teilweise wieder offene Drogenszenen.
Von harter Repression bis zumindest teilweiser Toleranz: Die Antwort der Städte ist gerade zu Anfang der Crack-Krise höchst unterschiedlich ausgefallen. Nun hat sich die Städteinitiative Sozialpolitik, ein Zusammenschluss des Schweizerischen Städteverbands, dem Thema angenommen. Das Ziel war, einen Wegweiser für Städte zu erarbeiten, die noch keine klare Strategie haben – und den anderen Denkanstösse zu geben.
Repression allein bringe nichts
Die Initiative kommt dabei zu einem ernüchternden Schluss: Die Crack-Ausbreitung sei «allein mit polizeilichen Interventionen nicht zu bewältigen». Nur auf repressive Massnahmen zu setzen, bewähre sich nicht. Denn Süchtige wegzuweisen, ohne ihnen eine passende Alternative zu bieten, führe lediglich zu einer Verlagerung der Drogenszene.
Auch kleinere und mittlere Städte stellten derzeit fest, «dass der Konsum von illegalen Substanzen zu ihrer Realität gehört». Tatenlos will die Städteinitiative aber deswegen keineswegs bleiben. Das Modell der Vier-Säulen-Politik bei den Drogen habe sich bewährt. Dazu gehört auch die Repression.
Keine Jagd auf Kleindealer
Gleichzeitig plädieren die Städte für Augenmass bei der Umsetzung: Statt Jagd auf Kleindealer zu machen, sollten sich die Behörden besser auf die Händler «auf übergeordneter Stufe» konzentrieren, so die Städteinitiative. Nur so gelinge es, die offene Drogenszene zu schliessen.
Es müssten Räume geschaffen werden, in denen Süchtige konsumieren können «und in denen Kleinhandel unter bestimmten Bedingungen toleriert wird». Dabei ist vor allem der Handel unter den Süchtigen gemeint.
Neben solchen «niederschwelligen Angeboten zur Schadensminderung» wie Kontakt- und Anlaufstellen oder Fixerstübli will die Städteinitiative auch auf die Zusammenarbeit zwischen den Behörden setzen und «Akzeptanz in Öffentlichkeit und Politik schaffen». Gerade das sei zentral. Sonst könne es passieren, dass man zwar Massnahmen einführe, die fachlich Sinn ergeben – aber von der Bevölkerung nicht mitgetragen werden, weil sie auf Unverständnis stossen.
Es brauche «gewissen Pragmatismus»
Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik und Stadtrat von Winterthur, betont, dass es einen «gewissen Pragmatismus» bei der Suchtthematik brauche. «Der Schweizer Weg hat sich bewährt», ist Galladé überzeugt. Auch andere Länder würden die Schweiz als Vorbild nehmen. «Es hat sich mehrfach gezeigt, dass alleine mit Repression keine Probleme zu lösen sind.»
Er wehrt sich auch dagegen, dass dieser pragmatische Weg eine Verharmlosung der Droge sei: «Fakt ist, wir haben Leute, die suchtkrank sind. Die hören nicht einfach auf, wenn wir alle Kleindealer verhaften und die offenen Drogenszenen mit voller Härte zerschlagen, ohne begleitende und soziale Angebote bereitzustellen», sagt Galladé.
Es sei auch keine Legalisierung von Crack, wenn der Konsum nicht ständig verfolgt und Deals unter Süchtigen gar toleriert werden. «Dafür können wir die polizeilichen Ressourcen gezielter verwenden, um die Hintermänner dieser Kokainschwemme zu ermitteln.»
Der Wegweiser für die Städte und Gemeinden sei zudem kein verpflichtendes Programm, sondern ein Leitfaden. «Viele Gemeinden stehen an einem komplett anderen Ort in dieser Thematik. Wir wollen ermöglichen, dass wir gegenseitig von unseren Erfahrungen profitieren können», sagt Galladé.