
Mit Melkstuhl, Blindenhund und geschmuggelter Choreo: So verrückt sind die Schweizer Eishockeyfans
Dass ein Hund in einem Eishockeystadion unter den Sitzen liegt, ist ungewöhnlich. Als die Kamera diese Szene an der Eishockey-Weltmeisterschaft im dänischen Hering einfängt, wird der Vierbeiner innert Sekunden zum heimlichen Publikumsliebling.

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Überall, wo der schwarze Labrador Alf liegt, ist Janine Mauchle nicht weit weg.Sie ist auf ihn angewiesen.Denn die 50-Jährige aus Wallisellen sieht auf dem rechten Auge nichts mehr, links noch 9,5 Prozent.
Die wenigsten Spieler kann sie mit ihren Augen von einander unterscheiden. Doch mit ihren Ohren kann sie die Schlittschuhgeräusche zuordnen. «Andres Ambühl erkenne ich immer, er fliegt fast übers Eis», sagt Mauchle.
Von Kuhkostümen bis zum Käsehut
Die Sehbehinderung hindert sie nicht, an Weltmeisterschaften zu reisen. Für Mauchle ist es schon die über zwanzigste WM – seit drei Jahren ist auch Blindenführhund Alf dabei. Dass sie den Hund ins Stadion nehmen kann, sei organisatorisch nicht immer einfach, sagt sie.

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Während Mauchle sich auf das Spiel konzentriert, macht Alf auch mal ein Schläfchen. «Letztes Mal hat er sogar ein ganzes Spiel verschlafen», sagt Mauchle und lacht. Alf ist dafür ausgebildet und unter den Fans auch ein beliebtes Fotomotiv.
Auch Jessica und Brigitte Walser aus Widnau müssen immer wieder für Selfies hinhalten. Die beiden Hockeyfans tragen einen selbstgebastelten Käsehut aus Styropor.

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Neben den beiden Frauen mit den Käsehüten fällt auch eine Gruppe Männer mit Kuhkostüm aus Aarau und Olten auf. Zur Kostümwahl sagt einer von ihnen, dass sie etwas tragen wollten, das gut zur Schweiz passt. «Ein Murmeli fanden wir nicht so gut, doch als wir betrunken auf die Kuh-Idee stiessen, war das Kostüm gefunden.»
An der letzten WM in Prag waren die elf Männer noch die einzigen verkleideten Kühe im Stadion. «Mittlerweile gibt es bereits einige Nachahmer», sagt einer von ihnen.

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Sie können dank des Melkstuhls immer sitzen
In den ersten Gruppenspielen in Herning fallen drei Männer auf. Die Nidwaldner tragen neben Edelweisshemden einen Melkstuhl am Gesäss. Hat es in der Fanzone keinen Platz zum Sitzen, ist das für die drei kein Problem. Dass sie es überhaupt nach Herning geschafft haben, war für die Nidwaldner nicht so einfach.
Denn sie kamen erst mitten in der Nacht vor dem ersten Spieltag in der 50’000-Seelen-Stadt in Dänemark an. Geplant war das anders. «Wir haben unseren Anschlussflug in München verpasst», sagt Angelo Wiesendanger und begründet: «Wir haben irgendwie die Zeit vergessen.»
Bevor das Gruppenspiel gegen Deutschland startete, stand Rekordspieler Andres Ambühl im Fokus. Denn die Schweizer Fans haben ihm eine Choreo gewidmet. Dies hat Michael Kistler organisiert.

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«Choreos gehören zu meiner Reisegruppe wie das Bier», sagt er. Doch so einfach war es nicht. Denn Ponchos und ein Spruchband wurden bereits im Vorfeld von den Organisatoren in Herning abgelehnt. Immerhin: Die kleinen Fahnen mit dem Schweizer Teufel durften sie ins Stadion nehmen.
«Vor Ort packte uns dann doch der Ehrgeiz, etwas mehr als nur die Fahnen zu präsentieren», sagt Kistler. So kaufte er im Baumarkt in Herning Farbe und Packpapier und malte zusammen mit seinen Freunden die Choreo am spielfreien Tag im Ferienhaus. Schliesslich gelang es, das Spruchband ins Stadion zu schmuggeln.
Er gestaltet WM-Fanschals für seine Freunde
Für Kistler ist es die 33. WM. Seine erste Weltmeisterschaft besuchte er 1991 in Turku und Tampere. Der Hockeyfan fährt nicht nur etliche Turniere, sondern organisiert die Reisen für sich und seine Freunde. «Für meine Reisegruppe gestalte ich jedes Jahr einen WM-Schal», sagt er.

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Kistler reist für den Halbfinal nach Stockholm. Den Flug hat er bereits letzten Herbst voller Optimismus gebucht. Und er lag richtig: Dort spielt die Schweiz am Samstagabend im Halbfinal gegen Dänemark. «Eishockeyfan zu sein, ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und pure Leidenschaft», sagt er.
Er war auch bei drei der vier gewonnen Silbermedaillen dabei. Und vielleicht kommt in wenigen Stunden der grösste Höhepunkt dazu – die erste Goldmedaille.