
Als anständiger Fussballfan muss man sich schämen
Mindestens ein schwer verletzter Aarau-Fan nach einer Prügelattacke durch einen mutmasslichen GC-Anhänger. Sprayereien.Sachbeschädigungen am Brügglifeld durch eine hineingeschmuggelte Flex-Säge. Ein durch Pyro-Rauch eingenebeltes Stadion, in dem minutenlang nicht gespielt und wegen des Gestanks nicht richtig geatmet werden kann. All das trübt das ansonsten fröhlich-entspannte Barrage-Fussballfest am Freitagabend.
Kaum war der Fanzug aus Zürich eingefahren, ergossen sich die GC-Anhänger in die Bleichemattstrasse und die Frey-Herosé-Strasse hinter dem Bahnhof. Wobei «ergossen» durchaus wörtlich zu nehmen ist: Die Anzahl an weiss gekleideten Männern jeden Alters, die sich umgehend und ohne Hemmungen an den Strassenrand stellten, um ihre Blase an Hausmauern und in Gebüsche zu entleeren, hatte fast schon etwas absurd Komisches. Wie Hunde, die ihr Revier markieren müssen.

Bild: Nadja Rohner
Weniger lustig und vor allem nicht durch einen Regenguss beseitigt waren die vielen Glasscherben, Büchsen und anderen Abfälle, die die Fans auf der ganzen Strecke bis ins Brügglifeld hinterliessen. «Saubannerzug» nannte das ein Leserbriefschreiber. Aus dem Gönhardquartier, durch das die Fanmärsche jeweils führen, hört man, dass sich Anwohner nach dem Abpfiff mit dem Gartenschlauch wappneten und das Telefon für die Alarmierung bereithielten.
Es sagt es zwar kaum ein Aarauer Fussballliebhaber laut, aber viele hinter vorgehaltener Hand. «Wir können froh sein, sind wir nicht aufgestiegen», und «solche Chaoten wollen wir nicht jedes Wochenende hier».
Wobei man sagen muss: Auf dem Aargauerplatz, wo sich die «Szene Aarau» getroffen hatte, sah es hinterher auch nicht gerade aus wie vor dem Besuch der Schwiegermutter. Auch die Aarauer haben Pyros gezündet. Und aus Thun wird berichtet, dass dort die Aarau-Fans Anfang Mai auf ihrem Marsch vom Bahnhof zum Stadion auch «überall hingeschifft» hätten. Aber wie das Wasser aus Thun zwangsweise irgendwann in Aarau landet, fällt auch das unflätige Verhalten dieser Grüsel irgendwann auf alle (anständigen) Fans zurück.
Ja, der FC Aarau hätte einen Aufstieg verdient. Und ja, der FC Aarau soll ein neues, Super-League-taugliches Stadion erhalten, wo überdies die Gewährleistung der Sicherheit einfacher wäre als im geliebten «Brüggli». Der Klub bringt der gesamten Region enorm viel, als Identifikations- und Integrationsfaktor, als Nachwuchsförderer, als Sympathie- und Werbeträger. Aber: Man darf sich auch nicht wundern, dass Fussball immer mehr polarisiert. Dass es Einsprachen gegen das neue Stadion gibt, das – als hätte man nichts gelernt – wieder mitten in einem bestehenden und künftig noch viel dichter besiedelten Wohnquartier entstehen wird.
Jeder einzelne Fussballfan, der zur Kategorie der Gartenmauerpisser und Pyrozünder gehört, muss sich fragen,ob er seinem Klub, seinem Sport, seiner Stadt wirklich einen Gefallen tutoder nicht doch einen immensen Imageschaden zufügt. Und jeder einzelne anständige Fussballfan, der sich über diese Auswüchse aufregt, sollte sie laut und deutlich anprangern.