
10 Milliarden mehr Ausgaben: Finanzministerin Karin Keller-Sutter warnt vor «Kapitulation»
Interlaken brummt. Touristen aus Asien und englischsprachige Gäste prägen das Bild. Ab und zu fällt ein Anzugträger mit Badge auf: ein Teilnehmer des Swiss Economic Forum (SEF). Der Kongress mit 1700 Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft hat am Donnerstag begonnen. Am selben Tag werden neue Rekordzahlen aus dem Schweizer Tourismus bekannt. Unweit des Konferenzzentrums landen Gleitschirme, Besucher fotografieren die zwischen den Wolken hervorschauende Jungfrau.
Der Schweiz geht es gut, scheint es. Doch drinnen, im Kongresszentrum, dominieren mahnende Stimmen. SEF-Gastgeberin Corine Blesi sagt, der helvetische Wohlstand sei nicht gottgegeben. Gehe der Unternehmergeist verloren, sei das Erfolgsmodell Schweiz gefährdet. Blesi erinnert an Adolf Guyer-Zeller, den Gründer der Jungfraubahn aus dem 19. Jahrhundert: Solche Pioniere, die an den Fortschritt glauben, brauche es auch heute.
Das Swiss Economic Forum versteht sich als Plattform für unternehmerische Ideen zur Stärkung von Innovation und zum Abbau von Bürokratie. Darum lanciert die Organisation das «erste Schweizer KMU-Parlament», mit 46 Unternehmerinnen und Unternehmern aus allen Kantonen. Sie sollen im November im Bundeshaus zusammenkommen und ihre Anliegen an das Parlament überweisen.
Keller-Sutter will «das Haus in Ordnung halten»
Bei Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter rennt das SEF damit offene Türen ein. Ihre wichtigste Botschaft: Die Welt spielt verrückt, aber die Schweiz hat es in der Hand, «das eigene Haus in Ordnung zu halten». Keller-Sutter nennt drei Punkte. Zu den letzten beiden verliert sie nicht viele Worte: Innovation sowie Offenheit gegenüber den drei Handelsblöcken EU, USA und China seien wichtig.
Ausführlicher geht die Finanzministerin auf ihren ersten Punkt ein: die finanzpolitische Stabilität.

Bild: Peter Schneider / Keystone
Diese sei ein wesentlicher Standortfaktor.Während andere Länder Schulden machen wie noch nieund Deutschland die Schuldenbremse gelöst hat, legt die FDP-Politikerin ein flammendes Plädoyer für die Schweizer Schuldenbremse ab. Diese stelle sicher, dass der Bund in Krisen wie der Coronapandemie oder dem CS-Zusammenbruch handlungsfähig bleibe.
Ohne den Mehrbedarf für die Armee zu erwähnen, beklagt Keller-Sutter die stetig steigenden Ausgaben. Im Jahr 2028 würde der Bundeshaushalt bereits 95 Milliarden Franken ausmachen, das seien 10 Milliarden mehr als im Jahr 2024 – und das trotz des geplanten Entlastungspakets. Diese Sparmassnahmen sieht sie offenbar gefährdet, jedenfalls betont die Finanzministerin: «Gelingt es nicht, das Entlastungspaket umzusetzen, kommt dies einer politischen Kapitulation gleich.» Der Bund dürfe nicht immer mehr ausgeben, er müsse «aus diesem finanzpolitischen Kurs aussteigen».
Stärkere Regulierung für die UBS
Nur kurz äussert sich Keller-Sutter zur Bankenregulierung. Der Bundesrat will seine mit Spannung erwarteten Vorschläge an diesem Freitag vorstellen. Die UBS, die vor allem davon betroffen ist, ist am Swiss Economic Forum als Sponsor engagiert und mit Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse präsent.
Sie sitzt in der ersten Reihe und hört von nahe, wie die Finanzministerin sagt: «Es gibt Zielkonflikte. Die Regulierung muss so sein, dass der Finanzplatz international wettbewerbsfähig bleibt, und gleichzeitig muss sie das Risiko einer Finanzkrise eindämmen.» Nur ein stabiler Finanzplatz sei ein starker Finanzplatz. Solche Aussagen deuten nicht darauf hin, dass Keller-Sutter von ihren scharfen Vorschriften abrückt, gegen welche die UBS seit Monaten lobbyiert.
FDP-Präsidium: Eine erste Absage
Das Swiss Economic Forum ist ein Wirtschafts- und zugleich auch ein Politikkongress. Ein Gesprächsthema in den Pausen: Wer wird Nachfolger von FDP-Präsident Thierry Burkart? Nationalrat Andri Silberschmidt sei so gut wie gewählt, wenn er kandidiere, ist der gefühlte Konsens in Unternehmerkreisen. Aber will er? Silberschmidt ist selber in Interlaken anwesend. Er sagt, für diese Frage sei es noch zu früh. Augenzwinkernd vergleicht er den Prozess mit dem Konklave von Rom: «Es braucht Zeit, bis weisser Rauch aufsteigt.»
Ein anderer in den Medien gehandelter möglicher Kandidat nimmt sich hingegen aus dem Rennen. Der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen sagt: «Ich war Vizepräsident in der Ära Philipp Müller. Ich werde mich nicht um Thierry Burkarts Nachfolge bewerben.»