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«Mega» nervig: Wie ein Wort seit Jahrzehnten unsere Sprache vergiftet

Es war einmal ein Wort für Intensität. Heute ist «mega» nur noch ein sprachlicher Füllstoff – ein Aromat für die Alltagssprache. Wir sollten aufhören, es zu benutzen.

Neophyten sind genauso schlimm, wie sie klingen: eingeschleppte, sich unkontrolliert vermehrende Pflanzen, die unsere Biodiversität bedrohen. Die vielblättrige Lupine ist so ein Neophyt. Sie enthält giftige Alkaloide, verdrängt andere Pflanzen und lässt sich nur bekämpfen, indem man sie mitsamt ihren Wurzeln ausreisst.

Wem das Phänomen solcher Wucherungen bekannt vorkommt, erlebt sie auch woanders. Zum Beispiel in der Sprache. Als rhetorisch aufdringliche Wörter, die unsere Gespräche immer mehr dominieren. Wir wollen hier auf das am meisten expansive, Intensität vortäuschende, dabei als rhetorische Routine angewandte Wort hinweisen, das genau genommen ein blosses Partikel ist, aber seit Jahrzehnten inflationär unsere Rede durchsetzt. Wir meinen das Wort «mega».

Das finde ich mega super im Fall.

Ich bin mega nervös.

Du, ich habe dich mega gern.

Das war aber ein mega Erdbeben in der Türkei.

Dem französisch-schweizerischen Regisseur Jean-Luc Godard zufolge gehen Adjektive mit allen ins Bett. Und er als mega Protestant mochte keine Adjektive. Noch weniger als Ernest Hemingway, der Macho auf Beutezug, der einmal bemerkte, ein Berg sei grösser als ein grosser Berg.

Was Godard jedenfalls über die Angewohnheit von Adjektiven sagte und Hemingway über ihre Wirkung meinte, gilt für das Partikel mega noch viel mehr: Es drängt sich in jeden gesprochenen Satz. Es wird unablässig wiederholt und behauptet dabei eine Intensität, die es in der Gestanztheit seiner Formulierung wieder aufhebt.

«Mega» wirkt wie ein sprachliches Aromat

Und wie man es von Neophyten kennt, den ausgreifenden Pflanzen, killt das Wort mega alle anderen Wörter, für die es stehen soll. Mega heisst doch sehr, viel, grossartig, sensationell, überwältigend. Aber auch schlecht, schlimm, furchtbar, grauenvoll, entsetzlich. Und vieles weitere mehr. Da es aber einzig als mega vorkommt und eingestreut wird wie sprachliches Aromat, dieser deutschschweizerische Geschmacksverstärker, wirkt es nur noch wie ein Verstärker, aber ohne Geschmack. «Mega» macht mit der Sprache, was Emojis der Schrift antun: Es signalisiert ein Gefühl, dessen Ausdruck es durch seine Normierung nivelliert.

Nun geht es in Ordnung, wenn 15-Jährige alles mega finden. Bei Leuten um die 25 kann man es noch als Gewohnheit entschuldigen. Wer sich aber mit 35 immer noch mega findet, hat ein Problem. Bei den 45-Jährigen und darüber wird das Problem offensichtlich: Solche Leute hadern mit dem Älterwerden und glauben, dieses liesse sich durch sprachliche Anbiederung wegrhetorisieren. Je älter sie werden, desto peinlicher klingen ihre Verjüngungsversuche. Sie kommen einem vor wie gespritzte Lippen bei Frauen oder Rossschwänze bei Männern.

Nun gibt es solche mega Wörter schon lange. Zum Beispiel das Wort «spannend», bei dem die Gespannten immer so gleichgültig dreinschauen – und damit zeigen, wie sehr ihre behauptete Aufregung an Spannung verloren hat. Langweiler finden alles spannend.

Genauso schlimm wie mega: Emotional

Ein ebenso unspannendes Wort, das die deutsche Sprache seit den Siebzigerjahren belästigt, haben wir zwei Branchen zu verdanken, die sich für besonders kommunikativ halten: der Psychotherapie und der Werbeindustrie. Ihr gemeinsames Lieblingswort heisst «emotional». Die Emotion wurde aus dem Lateinischen ins Englische exportiert und kehrte via Therapeutenjargon und Werbeslogans ins Deutsche zurück: als kalter Ausdruck einer Empfindung. Emotion heisst ja Gefühl. Das Emotionale verunklart aber, was es benennen sollte. Denn wie reagiert der emotional Getriebene: gerührt, bewegt, überwältigt, traurig, sehnsüchtig, glücklich, aufgeregt oder mit Leidenschaft? Und was können seine Emotionen wert sein, wenn man ihnen das Gefühl nicht anmerkt? Also wir finden solche Fragen mega spannend.