
«Das war dumm»: Norris sorgt für McLaren-Eklat – Russell triumphiert
Lando Norris nahm die Schuld für diesen ersten grossen Knall sofort auf sich. «Das geht auf mich, entschuldigt Jungs. Das war dumm von mir», funkte der Brite mit enttäuschter Stimme an seine McLaren-Crew – wenige Augenblicke zuvor war er mit Wucht ins Heck von Oscar Piastri gerauscht und konnte anschliessend nicht weiterfahren. Sein Teamkollege wurde immerhin Vierter, stand nach Rennende aber mit blassem Gesicht und leerem Blick in der Boxengasse. Der Super-GAU bei McLaren war lange erwartet worden, in Montréal war es nun soweit.
Während es im Papaya-Team und damit im Fight um die WM-Spitze mächtig knallte, fuhr George Russell den ersten Saisonsieg für Mercedes ein. Bemerkenswert vor allem: Die beiden McLaren-Stars hatten mit der Spitze in Montréal nichts zu tun. Vorne flog Russell im Silberpfeil nach dem Start von der Pole Position davon und liess Weltmeister Max Verstappen im Red Bull hinter sich. Auf Platz drei bejubelte der 18-jährige Kimi Antonelli im zweiten Mercedes sein erstes Podium in der Formel 1. Die eigentlich favorisierten McLaren blieben auf dem Circuit Gilles-Villeneuve erstaunlich blass – zum ersten Mal in diesem Jahr durfte kein Fahrer des Papaya-Teams auf dem Treppchen Champagner verspritzen.
Glücklicher Russell, starker Hülkenberg
Mit seinem Sieg durchbrach Russell im zehnten Saisonrennen zudem die Dominanz von Red-Bull-Star Verstappen und McLaren. Zuvor hatten nur sie gewonnen, Russell belohnte sich für sein bislang starkes Jahr im Schatten der drei. Im Hinblick auf seine Zukunft ist sein vierter Karrieresieg goldwert, sein Vertrag bei Mercedes läuft bislang am Saisonende aus. «Es ist super, wieder ganz oben zu stehen, das letzte Mal ist lange her», sagte Russell, «aber ich will nicht zu viele Hoffnungen schüren. Unser Auto funktioniert eben gut in diesen kühleren Bedingungen. Wir geniessen das, die Zeit wird zeigen, wie es weitergeht.»

Graham Hughes / AP
Im Kampf um die WM-Spitze verpasste Norris indes sich selbst einen Wirkungstreffer, der Kontakt mit Piastri wirft ihn weit zurück: 22 Punkte Vorsprung hat der Spitzenreiter aus Australien nun. Auf den Plätzen fünf und sechs folgten die Ferrari-Piloten Charles Leclerc und Lewis Hamilton.
Nach dem sensationellem 5. Platz beim letzten Grand Prix in Barcelona konnte Nico Hülkenberg im Sauber erneut um die Punkte mitfahren. Hülkenberg startete als 13, profitierte dann von einem Rencontre zwischen Franco Colapinto im Alpine und Alexander Albon im Williams und machte in der ersten Runde gleich vier Plätze gut. Diese Position verteidigte der Deutsche danach gekonnt. Dank des Ausfalls von Norris rutschte der Deutsche kurz vor Schluss noch auf den 8. Platz vor. Teamkollege Gabriel Bortoleto beendete das Rennen auf Platz 14.
Verstappen ohne Siegeschance
Im Fokus stand aber vor allem das Duell in der ersten Startreihe zwischen Russell und Verstappen. «Die erste Kurve wird knifflig und entscheidend, aber es ist ein langes Rennen», sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko bei Sky. Gefahr für einen neuerlichen Eklat zwischen seinem Schützling und dem Silberpfeil-Pilot sah er aber nicht. «Max soll sich nicht provozieren lassen und sein Rennen fahren. Ich glaube, es wird nichts passieren», so der Österreicher.
Als die Startampel erlosch, sollte Marko recht behalten. Russell kam am besten weg, Verstappen konnte ihm nicht gefährlich werden. Dahinter verlor Piastri nach wenigen Kurven Platz drei an Antonelli. Doch schon nach einiger Zeit funkte Verstappen von zunehmend schlechtem Gefühl mit seinen Reifen.

Jacques Boissinot / AP
Ein Boxenstopp wurde unausweichlich, Antonelli machte hinter ihm schon mächtig Druck. Russell folgte kurze Zeit später und blieb vorne. Auch Antonelli zog umgehend nach. Vorne übernahmen Norris und Leclerc die Spitze – beide waren mit harten Reifen gestartet und pokerten womöglich auf eine Ein-Stopp-Strategie. Doch Russell und Verstappen rauschten von hinten beständig heran, die Reifenwechsel von Leclerc und Norris folgten.
Der Mercedes-Pilot Russell fing rund um die Rennhälfte an, seinen Vorsprung auf den Champion auszubauen. Ungewöhnlich unauffällig verlief das Rennen bis dahin für die McLaren. 15 Runden vor Schluss übernahm Russell wieder die Führung. Norris und Piastri bliesen nach ihren letzten Stopps nochmals zum Angriff auf das Podium – und fuhren sich letztlich gegenseitig.(sid/sda)