Sie sind hier: Home > Aargau > Scherben bringen Glück: Warum im Kanton Aargau vor 3500 Jahren Geschirr zerschlagen und verbrannt wurde

Scherben bringen Glück: Warum im Kanton Aargau vor 3500 Jahren Geschirr zerschlagen und verbrannt wurde

Archäologen entdecken in der Schweiz immer mehr antike Scherbenhaufen, die auf Feuerrituale hindeuten. Menschen in der Bronzezeit haben Alltagsgegenstände zerschlagen, verbrannt und vergraben. Zur Motivation gibt es verschiedene Theorien.

Stark verbrannte Keramikscherben aus der Bronzezeit deuteten Archäologen als Fehlbrände ungeschickter Töpferinnen oder als Zeugnisse katastrophaler Hausbrände. Für manche Funde mag das zutreffen. Bei grösserer Ansammlung solcher Scherben, vor allem aus dem 15. bis 13. Jahrhundert vor Christus, stellten sie diese Erklärung aber infrage, wie das Archäologiemagazin «arCHaeo Suisse» in seiner aktuellen Ausgabe.

Die Untersuchung einer Fundstätte auf dem Fricker Seckeberg brachte vor einigen Jahren Licht ins Dunkel: Die Grube, die mit mehr als 3000 antiken Keramikscherben gefüllt war, sei das Überbleibsel eines bronzezeitlichen Kults, so der Befund. In einem komplexen und zeitaufwendigen Ritual zerbrachen die Menschen die Gefässe, warfen sie ins Feuer, bargen sie aus der Asche und deponierten sie schliesslich in der Erde.

Immer mehr antike Scherbenhaufen entdeckt

In den vergangenen Jahren wurden nun etliche weitere Ansammlungen verbrannter Scherben entdeckt, wie es im Archäologiemagazin heisst – in den Kantonen Waadt, Basel-Stadt, Luzern sowie im Aargau. Bei den Bauarbeiten für eine Überbauung in Gränichen zwischen Lochweg und Lochergasse kamen 2017 die Reste einer mittelbronzezeitlichen Siedlung zum Vorschein. Die gross angelegte Ausgrabung lieferte offenbar auch neue Erkenntnisse zu den Scherben.

So stiessen die Archäologinnen in Gränichen unter anderem auf einen rechteckigen «Scherbenteppich». Zudem seien in der gleichen Siedlung damals in der Bronzezeit die tragenden Pfosten eines Gebäudes aus der Erde gezogen worden und die entstandenen Hohlräume mit verbrannten Scherben gefüllt worden, schreiben die Autoren des Artikels.

Feuerrituale laut Forschenden weit verbreitet

Alle genannten Arten von Scherbenhaufen kennt man nicht nur in der Schweiz, sondern auch aus ganz Süddeutschland, aus Ostfrankreich und aus Österreich. Die damaligen Menschen schöpften offenbar überall aus einem gemeinsamen Fundus an Vorstellungen, wie und wo die Keramikgefässe nach der rituellen Verbrennung deponiert werden sollten.

Bei den Gefässformen zeigt aber jede Grube ein eigenes Bild: In Frick-Seckeberg dominieren Tassen und grosse Vorratsgefässe. In Gränichen hingegen fanden die Forschenden Scherben von allerlei verschiedenen Gefässen.

Mehrere Motive sind für diese Praktiken möglich

Die Theorie, die Keramikdeponierungen seien Überreste eines standardisierten gemeinschaftlichen Mahls, scheint daher zu kurz zu greifen, heisst es im Artikel. Da es aus der Bronzezeit keine Schriftzeugnisse gibt, bleibt die Motivation hinter diesen Praktiken letztlich unklar.

Hinweise liefern historische und ethnologische Vergleiche. Demnach gibt es eine ganze Reihe von Gründen, vom glücksbringenden Omen über die Abwehr böser Mächte bis hin zu Bestattungsriten. Häufig wurden Gefässe auch zerstört oder vergraben, nachdem sie im Kult verwendet worden waren. So liess sich verhindern, dass sie danach wieder in den profanen, alltäglichen Gebrauch kamen.

Auch wenn sich solche Motive archäologisch nicht beweisen lassen, so deutet das regelmässige Vorkommen darauf hin, dass Verbrennungsrituale häufiger Bestandteil gesellschaftlicher Anlässe gewesen sein müssen. Die Bandbreite der Befunde spricht für eine Vielzahl unterschiedlicher Rituale, die mit dem bewussten Zerschlagen, Verbrennen und Vergraben von Keramik einhergingen.