
Weniger Zivildienst, mehr Militär: Nationalrat verschärft Regeln für Leute, die nicht in der Armee sein wollen
Mehr Geld hat das Parlament für das Militär schon gesprochen, nun will es dafür sorgen, dass auch genügend Menschen in die Armee gehen. Dazu hat der Nationalrat am Mittwoch entschieden, dass der Wechsel vom Militärdienst in den Zivildienst deutlich erschwert wird. Derzeit würden zu viele junge Menschen ihre Diensttage lieber nicht in Rekrutenschulen und Wiederholungskursen leisten, sondern stattdessen Einsätze für den Zivildienst leisten. Rund 6000 dienstpflichtige Männer sind es pro Jahr.
Grundsätzlich besteht keine Wahlfreiheit zwischen Armee und Zivildienst. Wer aber den Militärdienst nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, der kann in den Zivildienst. Als Tatbeweis für die moralischen Konflikte dauert der nichtmilitärische Einsatz 1,5-mal (368 Tage) so lang wie die Zeit im Militär (245 Tage). Das wurde 2009 so eingeführt.
Das hatte wiederum zur Folge, dass deutlich mehr Männer Zivildienst leisteten – und im Umkehrschluss weniger Leute ins Militär gingen. Damit soll nun Schluss sein. Die Bürgerlichen wählten markige Worte. Der Zivildienst sei die «bequeme Alternative» zur Armee, sagte etwa Martin Candinas (Mitte/GR). Die zahlreichen Wechsel würden «unser System gefährden» und nicht «die persönlichen Neigungen» sollen ausschlaggebend sein, welchen Dienst man leiste.
Wechsel aus der Armee erschweren
Als «schlicht skandalös» bezeichnete Stefanie Heimgartner (SVP/AG) die hohe Zahl Zivildienstler. Es müsse Schluss sein «mit der Umgehung der Wehrpflicht», die Armee habe ein grosses Alimentierungsproblem. Auch Heinz Theiler (FDP/SZ) stellte sich auf den Punkt, dass es derzeit «viel zu einfach» sei, in den Zivildienst zu wechseln. «Wir brauchen mehr gesunde und wehrfähige Männer und Frauen», so Theiler.
Das entspricht auch der Linie des Bundesrats, der die Massnahmen ausgearbeitet hat. Der Zivildienst sei zu «einem Massenphänomen geworden – mit problematischen Folgen», sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Der Fokus der Erschwernisse liege auf jenen Personen, die bereits Diensttage geleistet haben und danach wechseln würden. Diese seien ausgebildet worden und Abgänge daher ein Problem.
SP, Grüne und GLP betonten dagegen die Wichtigkeit des Zivildiensts. Dieser würde viele wichtige Einsätze in ganz unterschiedlichen Bereichen leisten – unter anderem auch in der Pflege und in der Landwirtschaft. «Der Zivildienst ist eine Erfolgsgeschichte», sagte Priska Seiler Graf (SP/ZH), und Clarence Chollet (Grüne/NE) bat eindringlich darum, diese «Institution nicht zu zerstören».
Und Katja Christ (GLP/BS) gab zu bedenken, dass das Militär nicht zwangsläufig attraktiver wird, nur weil der Zivildienst weniger attraktiv werde. «Wenn ein Medikament nicht wirkt, dann erhöhen Sie ja auch nicht einfach die Dosis», so Christ. Mehrere Rednerinnen führten an, dass es durch den erschwerten Wechsel wieder zu mehr medizinischen Ausmusterungen kommen könnte. Und diese würden dann gar keinen Dienst leisten – weder Armee noch Zivildienst noch Zivilschutz.
Bei Mitte, FDP und SVP blieben die Reihen aber geschlossen und das Geschäft geht nun in den Ständerat. Sollte auch dieser den Zivildienst schwächen, ist das Referendum bereits angekündigt. Grüne, GSoA und weitere Organisationen haben ihre Unterstützung signalisiert. Diese zeigen sich schon siegesgewiss. Der Zivildienst geniesse grossen Rückhalt. «Sie wollen hier mit dem Kopf durch die Wand», warnte Linda De Ventura (SP/SH).
Bald wieder Verhöre für Dienstverweigerer?
Ebenfalls beschlossen hat der Nationalrat, dass er die Gewissensprüfung wieder einführen möchte. Einen entsprechenden Prüfauftrag hat er an den Bundesrat überwiesen. Auch hier störte sich die bürgerliche Mehrheit an den hohen Abgängen – besonders seit die Gewissensprüfung abgeschafft wurde. Diese gab es bis 2009 und wurde dann durch die längere Dienstzeit im Zivildienst abgelöst.
Bei diesen Verhören wurden die Dienstverweigerer teils gefragt, was sie machen würden, wenn jemand ihre Freundin mit einer Waffe bedrohen würde. Nur wenn die Kommission zum Schluss kam, dass tatsächlich moralische Bedenken vorliegen, durfte in den Zivildienst gewechselt werden. Das war aber in rund 90 Prozent der Anhörungen der Fall.
Kritiker der Gewissensprüfungen führten an, die Gewissensprüfung sei ein «Bürokratiemonster» ohne Nutzen. Zudem könne «das Gewissen unmöglich gemessen werden», wie Fabian Molina (SP/ZH) sagte.