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Streaming aus dem Pulverfass: Diese fünf Serien und Filme helfen, den Nahostkonflikt besser zu verstehen

Israel, Iran, Hamas: Der Nahe Osten steht wieder am Abgrund. Diese Serien und Dokus helfen, die Geschichten und die Geschichte hinter der Gewalt zu begreifen.

Der Nahe Osten brennt nach den Militärschlägen von Israel gegen den Iran einmal mehr lichterloh. Die Entwicklung verläuft rasant: Wird das Mullah-Regime bereits in den kommenden Tagen fallen? Jüngster Ausgangspunkt für die Eskalation war der Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober. Ein einschneidendes Ereignis, das unfassbaren Schmerz und weitere Traumata über Israel gebracht hat. Jedoch war dies lange nicht das einzige seiner Art.

Historisch gesehen kehren Muster in diesem permanenten Kreislauf aus Angriff und Vergeltung wieder. Neue Fronten werden eröffnet, alte regelmässig aufs Neue bemüht, um nationale Einheiten zu stärken und Feindbilder zu konstituieren. Die einzige Kontinuität ist, dass es keine gibt – ausser ewigem Kampf. Die Region scheint die Blaupause für die menschliche Unfähigkeit zum Frieden zu sein.

Obwohl die Grundkonstanten Hass und Ignoranz sind, ist die politische Situation weitaus komplexer: Diverse lokale Akteure treffen auf die Geopolitik, die von globalen Grossmächten gestaltet wird. Wer sich nicht durch Geschichtsbücher wühlen will, kann auch durch Filme oder Serien Einblicke in die Lage erhalten, sei es in dokumentarischer Form oder durch das Mitfiebern in der Fiktion. Wir stellen fünf von ihnen vor, die aktuell online verfügbar sind.

Wenn der Kampf zum Dauerzustand wird: «Fauda»

Doron Kavillio (Lior Raz) und sein Team im Einsatz.
Bild: Netflix

Ein israelischer und internationaler Hit, gedreht auf Hebräisch und Arabisch. In letzterer Sprache bedeutet der Titel zu Deutsch «Chaos» – ebendieses versuchen die vier auf Netflix laufenden Staffeln ohne lange Erklärungen einzufangen. Eine verdeckte Anti-Terror-Einheit rund um den toughen Doron Kavillio (Lior Raz) kämpft gegen Terrorzellen. Hier herrscht permanenter Krieg in nervösen, gelbstichigen Bildern.

Für manchen ist die Serie zu dezidiert proisraelisch. Man könnte jedoch ebenso wie die Macher argumentieren, dass «Fauda» versucht, den abstrakten terroristischen Feindbildern konkrete Geschichten und Gesichter zu verleihen. Wo man steht, ist eine Frage der eigenen Perspektive und Haltung. Kürzlich holte die Realität die Fiktion in aller Brutalität ein:Schauspieler Idan Amedi musste seinen Ausstieg aus der Serie wegen einer Kriegsverwundung bekannt geben.

Einstmals ziemlich gute Freunde: «Der endlose Krieg: Iran – Israel – USA»

Manchen mag heute nicht mehr bewusst sein, dass Israel und die USA einst prächtige Beziehungen zum Iran pflegten, im gemeinsamen Bund gegen die Sowjetunion. Bis zum Jahr 1979, als die üble Monarchie von Schah Mohammad Reza Pahlavi endet und noch Übleres folgt: Ajatollah Khomeini wird sowohl von Islamisten als auch von linken Marxisten begeistert als Revolutionsführer empfangen. Damit verschiebt sich das Machtgefüge der Welt. Von nun an unterstützt der Gottesstaat die Sache der Palästinenser und spricht Israel das Existenzrecht ab.

Im Libanon entsteht die Hisbollah – nicht die einzige terroristische Organisation, die von Teheran unterstützt wird. Die über ein Jahr dauernde Geiselnahme in der US-Botschaft von Teheran führt zum Bruch mit den USA. Dieser besteht trotz zwischenzeitlicher Entspannungsbemühungen bis heute. Der zweiteilige Dok «Der endlose Krieg: Iran – Israel – USA» nimmt eine historische Distanz ein, reduziert den Konflikt auf Macht- und Interessenspolitik. Und spart auch Kritik am Westen nicht aus. Kurz kommen jedoch der ständige Antisemitismus und das dem Islamismus innewohnende Vernichtungspotenzial als Triebkräfte des Konflikts.

Unser Mann in Damaskus: «The Spy»

Alleine unter Feinden: Eli Cohen (Sacha Baron Cohen) undercover.
Bild: Netflix

«Es ist alles so verwirrend in Syrien. Sie scheinen alle zwei Monate eine Revolution zu starten», befindet Eli Cohen während seiner Ausbildung zum Mossad-Spion. Der ehrgeizige, nicht mehr ganz junge Mann hat einen äusserst gewagten Auftrag: Er soll in Damaskus Anfang der 60er-Jahre, der Zeit vor dem Sechstagekrieg, undercover spionieren. Eine heikle Aufgabe in einem Land, das Israel von seiner Südseite aus attackiert und grosse Pläne zu haben scheint.

Die israelische Netflix-Miniserie, die auf einer wahren Geschichte basiert, zeigt nicht nur das aufreibende und erodierende Leben eines Agenten, der privat grosse Entbehrungen auf sich nimmt, sondern auch die politische Binnensicht zweier Länder, bei denen starrer Nationalismus und Patriotismus fest im Sattel sitzen. Auch die Stadt Zürich hat in «The Spy» ein paar hübsche Auftritte, dort steht in der Serie das Mossad-Safehouse. Und Sacha Baron Cohen kann einmal mehr unter Beweis stellen, dass er auch abseits seiner überdrehten witzigen Rollen wie Borat oder Ali G ein hervorragender Schauspieler ist.

Atemlose Angriffe: «Teheran»

Fast schon prophetisch: Tamars (Niv Sultan) Infiltration der iranischen Hauptstadt.
Bild: Apple TV+

Wie auch «The Spy» ist «Teheran», eine Co-Produktion von Apple TV+, im Milieu des Mossad angesiedelt. Allerdings in der weitaus rasanteren Gegenwart und noch stärker fiktionalisiert. Protagonistin ist Tamar (Niv Sultan), eine junge Hackerin, die sich für die Israeli in der iranischen Hauptstadt eingeschlichen hat, um das Atomprogramm zu sabotieren. Aus gegenwärtiger Sicht beinahe schon prophetisch.

Die Serie konkurrenziert wegen ihrer atemlosen Non-Stop-Action mit der Hektik und Drastik der realen Nachrichten (Stichwort: die Pager-Attacke auf die Hisbollah im Libanon letzten Herbst). In Israel fieberten viele Zuschauer neuen Folgen entgegen. Die Ausstrahlung der längst abgedrehten dritten Staffel verzögerte sich nach dem Massaker vom 7. Oktober jedoch. Inzwischen ist diese verfügbar, allerdings noch nicht in der Schweiz.

Eine andere Welt könnte möglich sein: «Re: Dialog in Nahost»

Neben «Der endlose Krieg: Iran – Israel – USA» bietet die Arte-Mediathek zahlreiche weitere Doks zu verschiedenen Aspekten des Nahostkonflikts an. Die meisten davon geben wenig Grund zur Hoffnung. Doch in einem Beitrag findet sich die seltene Bereitschaft zum Dialog. Getragen von wenigen Stimmen, die noch dazu medial viel leiser klingen als jegliche Extremisten. Praktisch alle von ihnen mussten persönliche Verluste erleiden, haben sich jedoch entschieden, sich nicht zu radikalisieren, sondern erst recht aufeinander zuzugehen.

Die Doku aus der Reihe «Regards» porträtiert Mitglieder von «The Parents Circle – Families Forum» oder «Combatants for Peace», gemeinnützige und gewaltfreie Organisationen von Palästinensern und Israeli, die gemeinsame Gedenkveranstaltungen organisieren und sich für den Frieden einsetzen. Leicht ist es nicht, sagt eine Teilnehmerin, doch es sei wichtig, den Schmerz zu teilen. Und das Gegenüber als Mensch wahrzunehmen.