
Wenn die Volkspartei den Volkswillen missachtet
Mehr als 130’000 Aargauerinnen und Aargauer, über 84 Prozent der Stimmenden, nahmen am 15. Mai 2022 die Amtsenthebungs-Initiative an. Sie sprachen sich dafür aus, dass Regierungsräte in gewissen Fällen abgesetzt werden können. Die Initiative, die von der BDP stammte, erzielte das beste Resultat eines Volksbegehrens in der Geschichte des Kantons.
Auch die SVP fasste die Ja-Parole zur Initiative und stimmte ihr im Herbst 2021 bei der ersten Beratung im Grossen Rat zu. Nach dem überdeutlichen Volks-Ja wurde eine Vorlage zur Umsetzung erarbeitet, die am Dienstag im Parlament beraten wurde. SVP und FDP brachten das Geschäft jedoch zu Fall, sie wiesen die Vorlage zurück – zur «Entschlackung».
Damit verhindern sie, dass Politiker abgesetzt werden können, die ihre Pflichten verletzen, in Strafverfahren verwickelt oder aus gesundheitlichen Gründen amtsunfähig sind. Die Rückweisung ist eine Missachtung des Volkswillens – also dasselbe, was die SVP bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative seit Jahren kritisiert.
Die FDP hatte die Amtsenthebungs-Initiative von Anfang an abgelehnt, daher ist ihre Unterstützung für den Rückweisungsantrag nachvollziehbar. Befremdlich wirkt ihr Vorgehen, wenn man sich an den früheren FDP-Schweiz-Präsidenten und Ständerat Philipp Müller erinnert. Dieser hatte bei der Ausschaffungs-Initiative stets auf den Volkswillen verwiesen und eine «pfefferscharfe» Umsetzung verlangt.