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Buben sind erst nach Schulstart besser in Mathe als Mädchen

Im Kleinkindalter haben Knaben und Mädchen einen ähnlich guten Sinn für Zahlen. Das ändert sich jedoch schnell, sobald sie Matheunterricht bekommen. Woran liegt das?

Knaben und Mädchen sind zum Schulstart in Mathe einer Studie zufolge ähnlich gut – doch schon bald danach unterscheiden sich ihre Leistungen. Bereits nach vier Monaten schneiden Buben demnach in Mathe deutlich besser ab als Mädchen. Ein Jahr nach dem Schulstart hat sich dieser Unterschied sogar vervierfacht, wie ein Team um Pauline Martinot von der Université Paris Cité ermittelt hat. Bereits frühere Studien hätten ergeben, dass Säuglinge keine und Kleinkinder nahezu keine geschlechterspezifischen Unterschiede im Zahlensinn und bei mathematischen Aufgaben haben, berichtet es im Journal «Nature».

Im Gegensatz dazu waren bei der Sprachentwicklung von Schulbeginn an die Mädchen besser – und blieben es auch. Der geschlechtsspezifische Unterschied schrumpfte nach vier Monaten zwar etwas, stieg dann aber wieder an. Insgesamt war nach dem ersten Schuljahr der Leistungsunterschied zwischen Buben und Mädchen in der Sprachentwicklung jedoch kleiner als der in Mathe.

Das Team analysierte Daten von rund 2,7 Millionen Kindern in Frankreich, die von 2018 bis 2021 mit der Schule starteten. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Matheleistung waren tendenziell in Schulen und Familien mit höherem sozioökonomischen Status besonders gross. Sie nahmen eher mit der Länge der Schulbildung zu als mit dem Alter.

«Ein möglicher Erklärungsansatz ist, dass Mädchen und Knaben in der Schule nicht nur Mathematik lernen, sondern auch mit gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbildern konfrontiert werden», sagte Lena Keller vom Institut für Pädagogisch-Psychologische Lehr- und Lernforschung der Universität Kiel. «Mathematik wird nach wie vor eher mit Jungen assoziiert.»

Höhere Mathe-Erwartungen an Buben

Lehrer und Lehrerinnen könnten Keller zufolge zur Verfestigung solcher geschlechtsspezifischen Muster beitragen. Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeige, dass Lehrkräfte in der 1. und 2. Klasse höhere Erwartungen an Knaben als an Mädchen in Mathematik stellten.

Nach Annahmen des Studienteams könnten Primarschul-Lehrerinnen zu den Unterschieden in der Matheleistung führen, etwa, wenn sie mit Buben und Mädchen unterschiedlich interagieren oder den mathematischen Erfolg von Knaben eher ihrer höheren Intelligenz und jenen von Mädchen eher ihrem grösseren Fleiss zuschreiben.

Nach Ergebnissen früherer Studien unterschätzen Lehrkräfte dem Team zufolge häufig die mathematischen Fähigkeiten von Mädchen und gehen davon aus, dass Buben über angeborene Talente verfügen, während Mädchen nur durch Fleiss und Anstrengung Fortschritte machen. «Diese Annahmen können das Vertrauen der Mädchen in ihre Fähigkeit, Mathematik zu lernen, untergraben», sagt Keller.

Interventionen sollten den Forschenden zufolge früh im Lehrplan ansetzen. Damit könnten Mädchen möglicherweise erreicht werden, bevor sie das Vertrauen in ihre mathematischen Fähigkeiten verlieren. Eltern beginnen nach Annahmen des Forschungsteams mit dem Schuleintritt möglicherweise, mehr Zeit in die formale Bildung ihrer Kinder zu investieren, und übertragen dabei auch Geschlechternormen.