
Krabben, Kaffee und Kurt Cobain: Für wen sich eine Reise nach Seattle und in den Nordwesten der USA besonders lohnt
«In die USA? Nicht mit diesem Präsidenten.» – Ein Satz, den man in diesen Tagen oft hört, wenn das Thema Reisen in die Vereinigten Staaten aufkommt. Seit Donald Trump erneut im Amt ist, scheinen viele das Land als Reiseziel zu meiden. Mit ein Grund: die teils abschreckenden Sicherheitskontrollen bei der Einreise. Unter Trump wurden diese deutlich verschärft.
«Einreise in die USA: Bund warnt vor Festnahme», «Schweizerin wird an der US-Grenze trotz gültiger Papiere abgewiesen und inhaftiert» – sämtliche Negativschlagzeilen der vergangenen Wochen schiessen mir durch den Kopf, während ich mich in die Schlange für die Einreisekontrolle stelle. Die Luft in der Halle des Seattle-Tacoma-Airports ist stickig. Mit einem harschen «Next» werde ich zum Kontrollbeamten gerufen. Meine Hände sind schweissnass, als er via Touchpad meine Fingerabdrücke nimmt. Und die Stimme etwas zittrig, als er mich mit grimmigem Ton nach dem Reisezweck, mitgebrachten Lebensmitteln und der Adresse meines Hotels fragt. Dann die grosse Überraschung: Mit einem «Have a nice stay» lässt er mich vom Haken.

Einige Stunden vor dieser Achterbahn der Gefühle: Mein Blick aus dem Flugzeugfenster trifft auf einen Landstreifen, umgeben von Wasser. Die Space Needle, das Wahrzeichen Seattles, ragt ikonisch in die Luft. Langsam, immer eindrücklicher rückt die Stadt, mein Reiseziel, ins Blickfeld.
Das Zuhause von Tech-Giganten wie Amazon, Microsoft und Boeing eignet sich ideal als Ausgangspunkt für Entdeckungen in der Umgebung. Für einige lohnt sich die Reise in den pazifischen Nordwesten besonders:
Lachs-Fans und Meeresfrüchte-Geniesserinnen
Die Dungeness-Krabbe, das kulinarische Wahrzeichen der Region, wird für ihr zartes Fleisch geschätzt. Aber auch Wildlachs-Fans kommen auf ihre Kosten. Ob Königslachs, Silberlachs, Rotlachs oder Chinook: In den Gewässern um Seattle tummeln sich die begehrtesten Arten. Wer wissen will, wie man sie richtig zubereitet, ist bei Chef Traci Calderon in ihrer Eventküche «Atrium Kitchen» genau richtig.
Ihre Küche liegt im Nebengebäude des Pike Place Market, Seattles kulinarischem Herzen in Hafennähe. Mit den Teilnehmern ihrer Kochkurse kauft Traci die Zutaten direkt an den Ständen des Markts.
Auch Austern spielen in der Region eine grosse Rolle. Caleb Davis züchtet mit seinem Vater Austern im Hood Canal westlich von Seattle, wo die Muscheln in Beuteln im Wasser heranwachsen. Ebbe und Flut bewegen die Austern von Baywater Shellfish ständig – das stärkt den Schliessmuskel und sorgt für festes, aromatisches Fleisch. Von salziger Brühe keine Spur: Diese Austern schmecken vollmundig und leicht nussig.
Wassersportlerinnen und Strandliebhaber

Das Leben der Einheimischen ist nicht nur kulinarisch eng mit dem Wasser verbunden. Seattle liegt eingebettet zwischen Puget Sound und Lake Washington – Wasser ist hier nie weit entfernt. Ob mit dem Segelboot, dem Kajak oder auf dem Stand-up-Paddle – an den Wochenenden zieht es viele aufs Wasser. Picknicks an den Stränden gehören ebenfalls zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen der Locals.
Starbucks-Aficionados und Kaffeeliebhaber

Seattle ist ein Mekka für Kaffeefans – nicht zuletzt, weil hier 1971 die erste Starbucks-Filiale eröffnete. Von hier aus trat die Marke ihren Siegeszug um die Welt an. Heute gibt es über 30’000 Filialen weltweit – die erste ist geblieben: unscheinbar, kultig und täglich von Besucherinnen und Besuchern aus aller Welt frequentiert. Ein Highlight ist die dazugehörige Starbucks Reserve Roastery – eine von nur sechs weltweit mit Kupferkesseln und riesigen Förderrohren.
Reisende, die Nachhaltigkeit und Luxus mögen

Mitten im lebendigen Viertel South Lake Union an der 2125 Terry Ave wurde im Mai das neueste Mitglied der «1 Hotel»-Kette eröffnet. Urbanes Design trifft hier auf konsequente Nachhaltigkeit. Direktor Rob Brandenberg begrüsst die Gäste in seiner Muttersprache: Schweizerdeutsch. Die 153 Zimmer sind mit Naturmaterialien, Bio-Bettwäsche und lokaler Handwerkskunst ausgestattet, viele mit Ausblick auf die Skyline oder die Space Needle. In der Küche wird regional und saisonal gekocht, im Drift Café gibt es nachhaltig gerösteten Kaffee und Zero-Waste-Cocktails. Für den Margarita verarbeiten die Barkeeper die Limettenschale zum Saft für den Drink und verwerten die Limettenhälften weiter als Zitrussud oder getrocknete Garnitur.
«Twihards» und solche, die es werden wollen

Nachdem man Seattle erkundet hat, lohnt sich die Weiterreise per Autofähre auf die Olympic Peninsula. Nicht nur wegen der Aussicht vom Wasser auf Seattles Skyline oder wegen der Nationalparks, sondern auch, weil sich hier Forks befindet.

Andrew Cooper / www.imago-images.de
Das Städtchen liegt auf der nebligen Olympic Peninsula und bietet die mystische Kulisse, die Stephenie Meyer zur Inspiration für ihre «Twilight»-Romane diente. Ende der Nullerjahre zog die Vampirromanze Millionen Teenager in ihren Bann. Obwohl das beinahe 20 Jahre her ist und die Filme grösstenteils woanders gedreht wurden, ist die Stadt, in der die Saga spielt, noch heute ein Pilgerziel für Fans, die «Twihards».

Zu den Highlights zählt die «Forever Twilight in Forks»-Collection im Rainforest Arts Center. Sie ist die weltweit grösste Sammlung an Requisiten aus den Filmen. Die Ausstellung wurde von Lissy Andros aufgebaut, die eigens wegen «Twilight» nach Forks zog.

Jedes Jahr im September findet das «Forever Twilight in Forks»-Festival statt – mit Schauspielerauftritten, Kostümen und den Mushroom Ravioli, die Protagonistin Bella beim ersten Date mit ihrem Vampir Edward bestellte. Tausende Portionen bereitet «Bella Italia»-Inhaber Neil Conklin zu. In seinem Restaurant in Port Angeles kann man das Twilight-Fan-Gericht schlechthin wie Bella am Tisch in der Ecke essen.
Wer wie Werwolf Jacob verträumt auf den Ozean starren will, tut dies am besten südlich von Forks, am Ruby Beach. Mit dessen markanten Felsformationen und dem Treibholz, das sich wie Kunstwerke über den Strand verteilt, zeigt sich die wilde Schönheit des pazifischen Nordwestens in ihrer reinsten Form.

Grungeheads und andere Musikenthusiasten

Frank Micelotta Archive / Hulton Archive
Der pazifische Nordwesten spielt auch in der Musikszene eine grosse Rolle. Seattle gilt als Wiege des Grunge – eines Musikstils, der in den 1990er-Jahren weltweiten Einfluss gewann. Nirvana, eine der prägendsten Bands des Genres, entstand in dieser Szene und machte Seattle zum Zentrum des Alternative Rock. «Come As You Are» ist nicht nur einer der bekanntesten Titel der Band, sondern auch auf dem Ortsschild am Eingang des rund zwei Stunden entfernten Aberdeen zu lesen. Hier wuchs Nirvana-Frontmann Kurt Cobain (1967 – 1994) auf. Zwar ist sein Elternhaus nicht öffentlich zugänglich, doch wird an einer detailgetreuen Nachbildung im Rahmen von «The Music Project/Kurt Cobain Tribute Gallery» gearbeitet. In der Ausstellung finden sich unter anderem Originalgitarren des Nirvana-Frontmanns, eingeritzte Signatur inklusive.

Beeindruckt von so viel Leidenschaft für einen längst verstorbenen Sänger, von imposanten Landschaften und Erinnerungen an kulinarische Höhenflüge stehe ich am Ende meiner Reise am Hafen von Port Angeles und blicke auf die Sonne, die langsam im Pazifischen Ozean verschwindet. Denke zurück an den einschüchternden Moment an der Grenzkontrolle – und daran, dass selbst ein schwieriger Start in einem Land enden kann, das überrascht, bewegt und begeistert. Trotz allem.

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Edelweiss fliegt von Juni bis September neu zweimal wöchentlich nonstop ab Zürich Flughafen nach Seattle. Buchbar aufflyedelweiss.com.
DasWarwick Hotel in Downtown Seattleeignet sich als Ausgangspunkt, um die Stadt zu erkunden. Zimmer gibt es ab 92 Franken pro Nacht. Ab 270 Franken pro Wochenende kann imAlderbrook Resort und Spaauf der olympischen Halbinsel eine Auszeit am Ufer des Hood-Canal-Fjords genossen werden.
Informationen und Buchungsmöglichkeiten für Ausflüge in der Region finden sich auf den Websites vonVisit Seattle,State of Washington TourismundVisit the USA.