
Fachhochschul-Dozentin trägt Hidschab – zwei Grossräte fordern Antworten
Burkas und Niqabs sind in der Schweiz verboten. Anders Hidschabs. Diese muslimische Kopfbedeckung verhüllt einzig Haare und Hals. Allerdings könnten auch Hidschabs zukünftig von einem Verbot betroffen sein. Vor einem Jahr stimmte das Parlament einem Postulat der Aargauer Ständerätin Marianne Binder (Mitte) zu einem Kopftuchverbot an Schulen und Kindergärten zu. Der Bundesrat erarbeitet dazu einen Bericht.
An der Pädagogischen Fachhochschule Nordwestschweiz mit Standorten in Brugg-Windisch und Aarau ist eine Dozentin tätig, die einen Hidschab trägt, eine muslimische Kopfbedeckung. Für Grossrat Roland Haldimann (EDU) und Grossrätin Nicole Burger (SVP) wirft das Fragen auf. Sie haben eine Interpellation eingereicht und stellen dem Regierungsrat einige Fragen. Denn der Kanton Aargau stehe «als grösster Finanzgeber der FHNW speziell in der Verantwortung».
«Was ist die Haltung des Regierungsrats, dass an der FHNW eine Dozentin angestellt ist, welche während des Unterrichts den Hidschab trägt?» Das ist die erste Frage der beiden Grossratsmitglieder. Ob er diese den verantwortlichen Gremien der FHNW mitgeteilt habe – und warum (nicht)?
Kann der Aargau ein Hidschab-Verbot beschliessen?
Sie wollen wissen, welche Möglichkeit der Regierungsrat und der Grosse Rat haben, um ein gesetzliches Verbot der muslimischen Kopfbedeckung bei Unterrichtspersonen von staatlichen Einrichtungen zu erwirken. Welchen Stellenwert die religiöse Neutralität der öffentlichen Schulen für den Regierungsrat habe, mit welchen Massnahmen er sie durchsetze.
In einer Frage steckt ein Vorwurf: Ob der Regierungsrat die Ansicht teile, dass durch das Tragen des Hidschabs der Eindruck entstehen könnte, dass die Lehrperson nicht allen Religionen gegenüber neutral eingestellt sein könnte? Und dass sie damit kaum Gewähr bieten könnte für einen wertfreien Unterricht?
«Sie wird für ihre religiöse Neutralität geschätzt»
Der Regierungsrat selbst beantwortet Fragen zu hängigen Vorstössen nicht. Die Fachhochschule Nordwestschweiz ist dagegen nicht daran gebunden. «Die Studierenden der Pädagogischen Hochschule der FHNW haben sich nie negativ zur Hidschab-tragenden Dozentin geäussert», sagt Dominik Lehmann, Leiter FHNW-Kommunikation, zur Frage auf Rückmeldungen. «Sie wird im Gegenteil wegen ihrer religiösen Neutralität geschätzt.» Jedoch habe die Fachhochschule vor einigen Monaten einen Hinweis «von einem besorgten Bürger erhalten».
Was sagt die FHNW zu den anderen Fragen? «Die FHNW ist der Auffassung, dass ein Kopftuchverbot auf Hochschulstufe nicht angemessen ist», sagt Lehmann. Dabei berücksichtige die Fachhochschule unterschiedliche Haltungen ihrer Trägerkantone in Bezug auf Lehrerinnen mit Kopftuch, die Haltung des Bundesrats zu Kopftüchern in der Bundesverwaltung sowie eine rechtliche Einschätzung eines Eingriffs in die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Dozentinnen.
«Die grundrechtlich verankerte Glaubens- und Gewissensfreiheit schützt das Tragen religiöser Symbole bzw. religiös motivierter Bekleidungsvorschriften», sagt er. Dürfte also auch eine Nonne christlichen Glaubens als FHNW-Dozentin ein Kopftuch tragen? «Die Haltung der FHNW umfasst auch das Kopftuch einer Nonne oder die Kippa eines jüdischen Mitbürgers», antwortet Lehmann.
Vorwurf des Grossrats «unberechtigt»
Der FHNW-Kommunikationschef unterstreicht, dass sich die FHNW religiös neutral verhalte und im Sinne der Glaubens- und Gewissensfreiheit das Tragen religiöser Symbole respektiere.
Den Vorwurf von Haldimann und Burger nennt er unberechtigt. «Die Studierenden der FHNW sind erwachsene, mündige Menschen, die sich sofort gegen einen nicht wertfreien Unterricht wehren würden.»
Der Bundesrat hatte vor einem Jahr das Postulat von Ständerätin Marianne Binder abgelehnt. Für die Schulen sind die Kantone zuständig, argumentierte er. Justizminister Beat Jans hatte in der Debatte auf einen Grundsatzentscheid des Bundesgerichts von 2015 verwiesen. Laut dem ist ein Kopftuchverbot an Schulen ein verfassungswidriger Eingriff in die Religionsfreiheit.