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Wie aus dem teuren Superjet F-35 der billigste wurde – und wie sich der Bundesrat selbst aushebelte

Gab es einen Masterplan für den US-Tarnkappenjet F-35? Genau das vermuten Kritiker, zumal der Preis für den Superjet mit diversen Kniffen tiefgerechnet wurde, wie sich jetzt immer deutlicher zeigt.

Der Vertreter eines europäischen Kampfjet-Herstellers sagt es so: «Beim F-35 ist der Anschaffungspreis extrem niedrig, aber er wird in jedem Land auf 30 Jahre gerechnet extrem teuer.» Das sei immer klar gewesen, das hätten auch die Schweizer Verantwortlichen immer gewusst.

Sicherheitskommission: Grüne und SP blitzen mit Anträgen ab

Trotz der Fragenzeichen vorab um die Kosten für den F-35 will die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats vorderhand nicht aktiv werden. Die Kommission habe mit einer von Bundesrat Martin Pfister angeführten Vertretung des Verteidigungsdepartements «eine vertiefte Grundsatzdiskussion» geführt und sich «mögliche Handlungsoptionen für den weiteren Verlauf des Beschaffungsprogramms» erläutern lassen. Die bürgerliche Mehrheit in der Kommission schickte drei Anträge von Grünen und SP bachab. Balthasar Glättli (Grüne, ZH) hatte die Aussetzung der Zahlungen für den F-35 und ein Gutachten des Bundesamts für Justiz zu den Kostenüberschreitungen verlangt. Linda de Ventura (SP, SH) forderte, dass der Bundesrat eine Analyse zu europäischen Alternativen und den langfristigen Kosten rund um den F-35. Die Kommission will nach der Sommerpause erneut über das weitere Vorgehen reden. Fest steht, dass sich auch die parlamentarische Aufsicht, die Geschäftsprüfungskommission, mit der Sache befasst. Sie hat ein Untersuchung beschlossen. (hay)

Am 30. Juni 2021 beschloss der Bundesrat eine Art Wunder. Er entschied sich auf Antrag von Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte-Partei) für den Kauf von 36 Stück des Tarnkappenjets F-35. Dieser sei, so die Regierung, der Konkurrenz nicht nur technologisch und in Sachen Wirksamkeit haushoch überlegen. Er sei zudem rund zwei Milliarden günstiger als die Konkurrenz und koste über 30 Jahre gerechnet rund 15,5 Milliarden Franken.

Die Amerikaner schlugen die Konkurrenz wesentlich über den Preis. Wobei der F-35 mittlerweile schon bis zu 1,3 Milliarden mehr kosten soll als vom Volk bewilligt. Und der von der Schweiz behauptete Festpreis löst sich in Luft auf.

Dass der F-35 nicht nur der beste, sondern auch der weitaus billigste Jet sein sollte, ging der Konkurrenz von Rafale (Dassault), Eurofighter (Airbus) und Super Hornet (Boeing) nicht in den Kopf. Mit diesem Ausgang hatte keiner gerechnet.

Wichtige Vorentscheide fielen Mitte 2019

Wie kam es zu diesem Wunder von Bern – wurde es von langer Hand vorbereitet?

Zu dieser These neigt Pierre-Alain Fridez, SP-Nationalrat und Allgemeinmediziner aus dem Jura. Er stellte schon in seinem 2022 erschienen Buch «Der Entscheid für den F-35» die Frage in den Raum: «Hat das Bundesamt für Rüstung Armasuisse den Gripen im Juni 2019 vielleicht aussortiert, weil er eine ernsthafte und deutlich kostengünstigere Konkurrenz für ein bestimmtes Flugzeug hätte darstellen können?»

Was Fridez meint: Der einmotorige Gripen hätte den F-35 als einziger Konkurrent über den Anschaffungspreis schlagen können.

Der schwedische Hersteller Saab hatte den Gripen im Juni 2019 aus der Evaluation zurückgezogen, nachdem ihm Armasuisse und Luftwaffe dazu geraten hatten. Der Jet sei in gewissen Bereichen noch immer unausgereift. Die Schweden waren damals stinksauer. Im Rennen blieben der Eurofighter, der F/A-18 Super Hornet, der Rafale und der F-35.

Im Juni 2019 fiel noch ein weiterer wichtiger Vorentscheid. Am 26. Juni 2019 veröffentlichte der Bundesrat den Planungsbeschluss zum Kampfjet-Kauf, der gut ein Jahr später vom Volk knapp angenommen wurde. Im Beschluss findet sich in Bezug auf die Typenwahl eine eigenartige Passage. Zwar steht da, dass der «Bundesrat bei der Typenwahl frei» sei. Aber sogleich folgt ein Satz, der wie nachträglich eingefügt wirkt: «Bei gleichwertigen Angeboten können aussenpolitische Aspekte eine Rolle spielen.»

Der Bundesrat hebelte sich selbst aus

Damit hebelte sich der Bundesrat mitsamt dem Primat der Politik gleich selbst aus – er konnte nur noch abnicken, was die Armee vorgespurt hatte.

Der Satz war wie eine Gewinngarantie für den F-35. Am 28. Juni 2021, zwei Tage vor dem Entscheid des Bundesrats, bestätigte das Bundesamt für Justiz diese Ausgangslage sogar noch in einem Gutachten. Was faktisch bedeutete: Der Bundesrat kam um das angeblich um zwei Milliarden günstigere Angebot der Amerikaner nicht herum.

Finanzminister Ueli Maurer (SVP) und Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) verhandelten bis kurz vor dem Bundesratsbeschluss mit Frankreich. Dieses stellte der Schweiz für den Fall des Zuschlags für den Rafale beträchtliche politische Zugeständnisse im Bereich Steuern sowie Hilfe im Verhältnis mit EU in Aussicht.

Gutachten bestimmte den Entscheid

Im Gespräch mit CH Media bekräftigt Fridez, was er schon in seinem Buch schrieb: Das Gutachten habe den Bundesrat faktisch «angewiesen, sich für ein bestimmtes Flugzeug zu entscheiden». Die Debatte innerhalb des Bundesrats sei damit förmlich abgewürgt worden.

Der Superjet F-35 machte das Rennen, obwohl lange kaum jemand mit ihm gerechnet hatte. Ein Rafale-Vertreter sagte einmal zu CH Media, er rechne mit dem Super Hornet als gefährlichstem Konkurrenten. Mit dem F-35 könnte die Schweiz Moskau bombardieren – der komme für sie ja nicht infrage.

Zudem galt und gilt der F-35 als teuer, pannenanfällig und voller Mängel, als nach wie vor nicht fertig entwickelt. Ende 2020, ein halbes Jahr vor dem Bundesratsentscheid, dachten Mitbewerber sogar, die Amerikaner gäben auf. Diese hatten überraschend ihr bisheriges Kampagnenteam abgezogen. Dessen Chef Mike Kelley zog mit Familie von Bern wieder nach Texas, um sich neuen Aufgaben zu widmen. «Wir dachten, die glauben nicht mehr daran», sagt ein Mitarbeiter eines anderen Herstellers.

Aber vielleicht war genau das Gegenteil richtig.

Bomben-Missionen, wie zugeschnitten auf den Tarnkappenjet

Die Evaluation sei irgendwann auf den F-35 zugeschnitten worden, dämmerte der Konkurrenz jedenfalls irgendwann. Weil nicht die für die Schweiz klassischen Aufgaben wie Luftpolizei im Vordergrund gestanden hätten. Sondern Missionen wie Luft-Boden-Angriffe bis weit ins Ausland hinein. Fridez schrieb in seinem Buch: Bei den Bewertungskriterien ging es darum, einen Militärflugplatz in Tschechien zu bombardieren, einen unterirdischen Bunker in Österreich. Genau für solche Aufgaben ist der F-35 ideal, wie sich soeben im Iran zeigte.

Auch beim entscheidenden Argument, den Kosten über 30 Jahre, vermuten Kritiker einen Kunstgriff zugunsten des F-35. Indem beim F-35 die Zahl der benötigten Flugstunden gekürzt wurden. Begründung der Beschaffer in Bern: Weil der F-35 sehr einfach zu fliegen sei und die Piloten weniger Training bräuchten, reichten 5000 Flugstunden pro Jahr. In der Offertanfrage hatte Armasuisse die Anbieter noch mit 6480 Flugstunden bei 30 Jets sowie 8640 Flugstunden bei 40 Jets rechnen lassen.

Gab es einen Masterplan für den F-35? Die Verantwortlichen in Bern winken ab. Vielleicht bringt die angekündigte Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission des Bundesparlament mehr Klarheit.