
Für den Frauenfussball nimmt der Schweizer Verband hohe Verluste in Kauf
Schon das zweite Spiel verkommt zum Final: Um die Chancen auf die angepeilte Viertelfinal-Qualifikation aufrechtzuerhalten, muss die Schweizer Nati am Sonntag gegen Island punkten. Am besten dreifach – dann wären die Spielerinnen von Pia Sundhage für den Showdown gegen Finnland in einer guten Ausgangslage. Bei einer weiteren Niederlage nach jener im Startspiel gegen Norwegen (1:2) indes droht das frühestmögliche Ausscheiden der Gastgeberinnen – analog zum Männerturnier 2008.
Nicht zuletzt der Kassenwart des Schweizer Fussballverbandes (SFV) hätte seine Freude am Weiterkommen. Hintergrund: Die Uefa als Turnierausrichter zahlt jedem der 16 EM-Länder eine Antrittsprämie in Höhe von 1,7 Millionen Franken*. Für jeden Sieg in der Gruppenphase gibt es 95’000 Franken obendrauf. Die Qualifikation für die Viertelfinals wird mit 515’000 Franken belohnt, der Halbfinal-Einzug mit 650’000 Franken. 1,65 Millionen Franken gehen an die Siegernation.
156 Prozent mehr Geld innerhalb von drei Jahren
Insgesamt schüttet die Uefa 38,3 Millionen Franken Prämien aus. Das ist ein Klacks zu den 310 Millionen für die Männer-EM vor einem Jahr, aber es ist auch eine Steigerung von 156 (!) Prozent im Vergleich zur vorherigen Frauen-EM 2022 in England (15 Millionen). 2013 betrug das gesamte Preisgeld noch 2 Millionen Franken.
Die Zahlungen für Frauenturniere steigen exponentiell, was am steigenden Interesse und den dadurch steigenden TV- und Sponsorenerlösen für die Uefa liegt. Der europäische Fussballverband will zudem bis ins Jahr 2030 eine Milliarde in den Frauenfussball investieren. Zugunsten der Infrastruktur, der Ausbildung von Trainerpersonal und der Prämien für die Verbände. Für Letztere macht die Uefa eine Vorgabe: Jeder teilnehmende Verband muss zwischen 30 und 40 Prozent seiner erhaltenen Prämie direkt an die Spielerinnen auszahlen.
Uefa rechnet mit bis zu 25 Millionen Verlust wegen der Frauen-EM
Bei einem Halbfinaleinzug der Schweizerinnen würden also mit der Antrittsprämie, der Prämie für den Vorstoss in die Top 4 und der Prämie für die Punkte in der Gruppenphase insgesamt rund 2,5 Millionen Franken in die SFV-Kasse fliessen. Das deckt gerade mal die Ausgaben des Verbandes für Taggelder, Prämien, Hotels und Reisen.
Heisst: Damit die Frauen-EM für den Schweizer Verband nicht zum finanziellen Minusgeschäft wird, muss Pia Sundhage ihr Team in den Halbfinal führen. Der SFV bestätigt auf Anfrage von CH Media: «Bis zum Halbfinal ist die Teilnahme an der WEURO 2025 für den SFV defizitär.» Das gilt übrigens auch für den Ausrichter Uefa – sie rechnet für die Frauen-EM mit einem Defizit zwischen 20 und 25 Millionen Franken. Dieses wird mit dem Gewinn aus den Männer-Wettbewerben querfinanziert.
«Bis zum Halbfinal defizitär!» Eine solche Aussage vom SFV wäre im Rahmen eines Männerturniers undenkbar. Dort sind alleine die Antrittsprämien um ein Vielfaches höher als die Ausgaben des SFV. Insgesamt kassierte der Schweizer Verband für den Viertelfinal-Einzug an der EM 2024 rund 15 Millionen Franken Erfolgsprämien von der Uefa.
Dass die Schweizer Frauen-Nati den Halbfinal erreicht, ist trotz der verheissungsvollen Leistung im Auftaktspiel unwahrscheinlich. Der SFV musste also in der Budgetplanung für 2025 einen Verlust einkalkulieren.
Mehr Fans in Schweizer Stadien als im Mutterland des Fussballs
Das hat er gerne getan. Denn die Investition in den Frauenfussball ist eine in die Zukunft. Noch hinken die Zahlen weit hinter jenen der Männer hinterher. Aber während dort der Peak nahe oder in gewissen Bereichen schon erreicht ist (an der EM 2024 gab es gleich viel Erfolgsprämien wie 2021), wächst der Frauenfussball an allen Fronten. (Noch) ohne erkennbare Grenze.
Gemäss Nadine Kessler, Direktorin Frauenfussball bei der Uefa, wurden sie und das Turnier-OK belächelt, als das Ziel «ausverkaufte EM» ausgerufen wurde. Nun, so die Deutsche, werde es Realität. Für die 31 EM-Spiele in der Schweiz wurden schon mehr als 600’000 Eintritte verkauft. Somit werden bis Ende Juli mehr Menschen die EM besuchen als vor drei Jahren in England (573’000 Fans), obwohl im Mutterland des Fussballs die Stadien um ein Vielfaches grösser sind als in der Schweiz.
Über 30 Prozent der Tickets wurden ins Ausland verkauft, am grössten war der Ansturm in Deutschland und England. Menschen aus 114 Ländern haben Karten gekauft – auch dieser Wert ist ein Rekord.
Und in der Schweiz? Hier ist die Heim-EM quasi die Startrampe für den künftigen Höhenflug des Frauenfussballs. Mit einem Grossteil der 15 Millionen für die EM gesprochenen Bundesgelder soll bis 2030 mit verschiedenen Massnahmen die Anzahl lizenzierter Spielerinnen von 40’000 auf 80’000 verdoppelt werden. SFV-Generalsekretär Robert Breiter sagt: «Wenn wir das nicht tun, wäre das eine vergebene Chance.»