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Und wieder kein Brief für Keller-Sutter: So ungeduldig wartet die Schweiz auf die Zoll-Post aus den USA

Alle wollen in die Ferien. Aber wegen des Zoll-Briefs von Donald Trump sind für viele Chefbeamte derzeit keine Freitage möglich.

Schon wieder keinen Brief erhalten. Traurig durchforstet Karin Keller-Sutter ihre Post. Werbung, Rechnungen und eine Postkarte von Guy Parmelin aus dem Burgund. Aber weit und breit kein Brief ihres Brieffreundes Donald. Dabei hat er es versprochen. Also angekündigt. Aber so ist das immer mit Donald.

Er hat gesagt, er schreibe ihr etwas wegen Zöllen. Wie es weitergehe mit dem Handel zwischen den USA und der Schweiz. Das ist generell ein doofes Thema. Viel lieber wäre Keller-Sutter in den Ferien. Etwas Wandern, zwei, drei Tage Italien, ein Besuch in einem Open-Air-Kino am Bodensee. Aber all das geht eben erst, wenn dieser Brief da ist. Drum: Wieder zum Briefkasten. Wieder nichts da.

Nicht nur Keller-Sutter kann nicht in die Ferien, sondern auch ganz viele andere. Hohe Bundesbeamte sitzen auf gepackten Koffern und warten, bis Klarheit herrscht, wie es nun weitergeht. So dürfte es in zahlreichen Hauptstädten rund um den Globus aussehen. Statt in den Sommerferien aufgestaute Ferientage abzubauen, werden Überstunden angehäuft. Schliesslich soll möglichst schnell reagiert werden, wenn der Brief mit grosser Verspätung eintrifft.

Die Antwort wird schon geschrieben

Und so tippt Karin Keller-Sutter in Gedanken schon die Antwort, bevor sie den Inhalt des Briefs kennt. Bietet an, dass Schweizer Firmen in den USA investieren. Will Zölle auf US-Produkte fast komplett streichen. Sag uns, was du willst, wir geben es. Und lass uns trotz allem Freunde bleiben, lieber Donald. Freundliche Grüsse, Karin Keller-Sutter. Nein. Herzliche Grüsse klingt besser. Hochachtungsvoll. Das ist es! Keller-Sutter ist zufrieden.

Mittlerweile läuft sie alle 15 Minuten zum Briefkasten, öffnet die Klappe mit zwei Fingern und lugt rein, ob endlich was da ist. Immer noch nichts. Ausser Werbung, Rechnungen und eine Postkarte von Albert Rösti aus dem Wallis.

Werden es 10 Prozent? 35 Prozent? Mehr? Kommt der Brief überhaupt? Und falls nein: Ist es ein gutes Zeichen, dass die Schweiz keinen Brief erhält, all die anderen aber schon? Schliesslich hat sogar Myanmar einen bekommen. Myanmar! Was machen wir falsch? Oder machen wir alles richtig?

Er schimpft in Grossbuchstaben

Viele Brieffreunde würden sofort mit Nichtbeachtung gestraft werden, wenn sie einfach nicht mehr schreiben. Bei Donald ist es genau umgekehrt: Je weniger Nachrichten er verschickt, desto mehr buhlt die Welt um Post.

Und das, obwohl in den Briefen von Donald selten Erfreuliches steht. Manchmal braucht er sogar mitten in Sätzen plötzlich inflationär GROSSBUCHSTABEN und schimpft wild rum. Seine Unterschrift nimmt so viel Platz ein, dass befürchtet werden muss, der Gute kompensiere damit etwas.

Karin Keller-Sutter passt die Pöstlerin ab und fragt sie, ob sie wirklich ganz sicher sei, dass da kein Brief mehr für sie im Kistchen vorne auf dem Töffli sei. Diese schüttelt nur den Kopf und fährt weiter. Werbung, Rechnungen und eine Postkarte von Elisabeth Baume-Schneider mit einem Bild von einem tanzenden Schaf.

«Was machen wir morgen», fragt ihr Mann. Karin Keller-Sutter seufzt und sagt: «Warten wir’s ab.»