
Bahnen lassen Behinderte warten: Noch immer ist jeder dritte Bahnhof für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich
Unüberwindbare Stufen zwischen Perron und Zugeinstieg, weit und breit weder eine Rampe noch ein Lift: Noch immer sind Menschen im Rollstuhl an vielen Bahnhöfen in der Schweiz auf Hilfe angewiesen. Ende vergangenen Jahres war über ein Drittel der rund 1800 Stationen nicht barrierefrei, wie neue Zahlen des Bundesamts für Verkehr zeigen.
Dabei müssten sie das eigentlich längst sein.Ende 2023 lief die Frist zur Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes aus.Dieses schreibt unter anderem fest, dass sämtliche Bahnhöfe, Bus- und andere Haltestellen sowie öffentlichen Verkehrsmittel behindertengerecht ausgebaut sein müssen. Ausnahmen gibt es für sehr kleine Stationen, bei denen ein Ausbau unverhältnismässig wäre. Die Verkehrsunternehmen hatten 20 Jahre Zeit, die Vorgaben umzusetzen.
Rollstuhlfahrer müssen sich noch lange gedulden
Doch aktuell sind knapp 500 Bahnhöfe, die laut Gesetz umgebaut werden müssen, für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer nicht autonom nutzbar. Bei über 300 Bahnhöfen dauert es noch mindestens drei Jahre, bis sie auch für Menschen mit Gehbehinderung oder Kinderwagen barrierefrei zugänglich sind. Dies «trotz mehrfacher Intervention» des Bundesamts für Verkehr, wie dieses festhält. Teilweise soll der Umbau erst in über zehn Jahren abgeschlossen sein.
Für die Umsetzung sind die Bahnunternehmen zuständig, das Bundesamt für Verkehr kontrolliert sie. Dieses streicht als positiven Aspekt hervor, dass inzwischen 82 Prozent aller Passagiere «grösstenteils autonom und spontan» unterwegs sein könnten. Dies, da grosse Stationen prioritär behandelt wurden.
Doch das heisst umgekehrt, dass das für jeden und jede fünfte Reisende nicht gilt. Unter den Bahnhöfen, die bei der Umsetzung weit hinterherhinken, sind auch grössere Halte wie beispielsweise Schaffhausen, Brugg AG (beide im Umbau bis Ende 2035) oder Sargans SG (Ende 2033).
Darum dauerts so lange
Als Gründe für die Verzögerung geben die Bahnunternehmen, so der Bund, unter anderem Personalmangel und fehlende Zeitfenster für die Bauarbeiten an. Die SBB, die mit Abstand die meisten Bahnhöfe betreiben, schreiben, dass man für die Umsetzung auf ausreichende Mittel des Bundes angewiesen sei. An Bahnhöfen, die nicht barrierefrei sind, bieten die SBB Menschen im Rollstuhl Unterstützung an. Im vergangenen Jahr hat das SBB-Personal in 67’000 Fällen beim Aus-, Ein- oder Umsteigen geholfen.
Seit Anfang Jahr könnten Passagiere mit Behinderung auch dann um Hilfe bitten, wenn diese nicht gesetzlich vorgeschrieben sei, so die SBB. Das Angebot gelte aber nur, wenn genügend Personal vorhanden sei, und ist bis Ende Jahr befristet.