
Zwischen Zwiebelhaut und Supercomputer
Über diese Bauernregeln lacht man schnell, aber genau diese Sätze haben über Generationen hinweg den Alltag strukturiert. Besonders schön zeigt sich dieses alte Wissen in Muotathal. Dort sitzen sechs wetterkundige Männer – die sogenannten Wetterschmöcker – die zweimal im Jahr das Wetter für die kommenden Monate voraussagen. Nicht mit Satellitenbildern, sondern mit Zwiebelschalen, Ameisenhaufen und Hornissenflug. Ihre Prognosen sind so ungenau wie unterhaltsam, aber erstaunlicherweise oft gar nicht so daneben. Und wenn es halt doch nicht regnet, wie angekündigt, dann hatte eben das Murmeltier einen schlechten Tag. Niemand nimmt es krumm. Es wird geklatscht, gelacht, ein Bier bestellt. Wetterprognose als Brauchtum.
Währenddessen werden in Rechenzentren mit künstlicher Intelligenz riesige Datenmengen ausgewertet. Die App auf dem Handy teilt uns mit, wann der Regen einsetzt, und zwar auf die Minute genau. Doch die Maschine spürt nichts. Sie weiss nicht, wie es sich anfühlt, wenn der erste Herbstnebel ins Tal kriecht oder der Föhn plötzlich alle nervös macht.
Der Meteorologe steht zwischen diesen beiden Extremen. Er ist kein Mystiker, aber auch kein reiner Zahlenknecht. Man könnte ihn als einen Übersetzer von Modellen in die Realität bezeichnen. Er kennt die Grenzen der Technik genau, hat aber auch den Blick für das Unerwartete. Wenn die Prognosen wackeln, spürt er es oft als Erster. Er liest gleichzeitig den Himmel und die Diagramme.
Die Wetterschmöcker stehen auf der einen Seite. Die künstliche Intelligenz verkörpert das andere Extrem. Der eine geht mit der Nase durchs Gras, die andere durch Datensätze. Der Meteorologe verbindet beides. Er bringt Fachwissen, Bauchgefühl und Erfahrung zusammen. Und manchmal schaut auch er lieber einfach selbst aus dem Fenster.
Natürlich ist es faszinierend, was heute alles berechnet werden kann. Aber trotz aller Fortschritte gilt: Die künstliche Intelligenz friert nicht. Sie schwitzt nicht. Sie hat keine Erinnerung an trockene Sommer oder verregnete Schulreisen. Und sie erzählt keine Geschichten, die einem im Kopf bleiben.
Darum wird sie den Meteorologen nicht ersetzen. Und den Wetterschmöcker erst recht nicht. Denn solange wir Menschen nicht nur wissen wollen, ob es regnet, sondern auch, wie sich das anfühlt, wird das Wetter immer auch eine Frage der Haltung bleiben. Und manchmal eben auch eine Frage des Drecks unter den Fingernägeln.