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Israelischer Angriff unterbricht syrische Live-Sendung

Der israelische Luftangriff auf den syrischen Generalstab am Sonntag hat während einer Live-Übertragung die Sendung unterbrochen. Mehrere Gebäude in Damaskus wurden getroffen, was die Spannungen zwischen Israel und Syrien erneut erhöht. Die genauen Hintergründe sind noch unklar.

Israels Armee hat eigenen Angaben nach den Eingang zum Militärhauptquartier der syrischen Führung im Raum Damaskus angegriffen.

Verteidigungsminister Israel Katz veröffentlichte auf derSocial-Media-Plattform X ein Video, das zeigt, wie eine syrische Fernsehsendung direkt von einem israelischen Angriff in der Nähe unterbrochen wird. Katz kommentierte das Video mit:

«Die schmerzhaften Schläge haben begonnen.»

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Grossbritannien meldete zwei Verletzte bei zwei Angriffen mit Kampfflugzeugen in der Gegend des Hauptquartiers. Das israelische Militär setzte den Angriff in Zusammenhang mit den Ereignissen in Südsyrien: Man beobachte das Vorgehen der Führung des Nachbarlandes gegen drusische Zivilisten in der Region, hiess es.

Israel will die religiöse Minderheit eigenen Angaben zufolge angesichts des Gewaltausbruchs im Süden des Nachbarlandes unterstützen. Viele Drusen dienen in Israel freiwillig in der Armee – der jüdische Staat sieht sie als Verbündete.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, Angehörige der drusischen Minderheit seien durch Regierungstruppen und die mit ihnen verbündeten Kämpfer hingerichtet worden.

Verteidigungsminister droht Damaskus

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz drohte auf der Social-Media-Plattform X der syrischen Übergangsregierung.

«Die Warnsignale in Damaskus sind vorbei – jetzt werden schmerzhafte Schläge folgen.» Israel Katz

Die israelischen Streitkräfte würden in Suwaida mit voller Kraft weiter operieren, um die Kräfte, die die Drusen angegriffen haben, «bis zu ihrem vollständigen Rückzug zu vernichten». Er wandte sich ausserdem an die Drusen in Israel:

«Unsere drusischen Brüder in Israel – ihr könnt euch auf die IDF verlassen, dass sie eure Brüder in Syrien schützen. Premierminister Netanyahu und ich als Verteidigungsminister haben dieses Versprechen gegeben – und wir werden es halten.»

Gewalt gegen Drusen

Trotz einer vorübergehenden Waffenruhe im südlichen Syrien kommt es dort weiter zu tödlicher Gewalt. Bei Kämpfen und durch Hinrichtungen in der Provinz Suwaida seien laut der Beobachtungsstelle seit Dienstag rund 150 Menschen getötet worden.

Damit seien seit Sonntag insgesamt mehr als 250 Menschen ums Leben gekommen, teilte die im Ausland ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.

Darunter seien rund 130 Angehörige der Truppen und anderer Sicherheitskräfte der Regierung in Damaskus und etwa 20 sunnitische Beduinen. Zudem seien rund 70 Anwohner der mehrheitlich von Drusen bewohnten Provinz getötet worden.

Truppen der Armee antworten weiterhin auf Beschuss im Ort Suwaida, teilte das Verteidigungsministerium in Damaskus mit. Ihr Ziel sei, Anwohner zu beschützen und eine sichere Rückkehr für diejenigen zu ermöglichen, die ihre Heimat wegen der tagelangen Gewalt verliessen. Zivilisten wurden aufgerufen, in ihren Häusern zu bleiben. Unter den Opfern sind der Beobachtungsstelle zufolge auch Frauen und Kinder.

Berichte von «Schnell-Hinrichtungen»

Die Opferzahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Angaben der Beobachtungsstelle mit Sitz in London, die den Konflikt in Syrien mit einem Netz aus Informanten verfolgt, gelten aber als in der Regel verlässlich. Das syrische Innenministerium berichtete am Montag zunächst von 30 Toten.

Die Beobachtungsstelle berichtete von «Schnell-Hinrichtungen» durch die Regierungstruppen und die mit ihnen verbündeten Kämpfer.Die Truppen hätten in mehreren Dörfern der Provinz Eigentum zerstört, gestohlen und Feuer gelegt. Aus Angst vor Beschuss und Diebstahl hätten die meisten Ladenbesitzer ihre Geschäfte geschlossen. Weil Strassen gesperrt seien, gebe es ernsthafte Sorgen über eine Knappheit an Lebensmitteln und auch Medikamenten.

Drusen überqueren Grenze

Angehörige der religiösen Minderheit der Drusen aus Israel haben die Grenze zu Syrien überquert, um andere Drusen nach dem Gewaltausbruch im Nachbarland zu unterstützen.

Zugleich gibt es Berichte, dass Drusen aus Syrien versuchen, nach Israel zu gelangen, um dort Schutz zu suchen. Laut der israelischen Zeitung «Haaretz» versucht Israels Militär, Hunderte Durchbrüche auf beiden Seiten der Grenze zu verhindern. Die Armee teilte mit, mehreren Zivilisten aus Israel sei der Grenzübertritt nach Syrien in der Gegend der Stadt Madschdal Schams, die in den von Israel annektierten Golanhöhen liegt, gelungen.

Das israelische Militär versucht eigenen Angaben nach, die Menschen sicher nach Israel zurückzubringen. Es handle sich bei dem Grenzübertritt um eine Straftat, die die Soldaten sowie die Öffentlichkeit gefährde. Bereits am Dienstag hatten Dutzende Drusen aus Israel die Grenze zu Syrien überquert. Das israelische Militär brachte sie Berichten zufolge zurück.

Israels Armee teilte ausserdem mit, «Dutzende Verdächtige» hätten zugleich versucht, aus dem Gebiet des Orts Hader in Syrien auf israelisch kontrolliertes Gebiet zu gelangen. Von der Syrischen Beobachtungsstelle mit Sitz in Grossbritannien erfuhr die Deutschen Presse-Agentur, sie habe Informationen darüber, dass es sich um syrische Drusen handle, die in Israel Schutz suchen wollten. Hader liegt nur wenige Kilometer Luftlinie von Madschdal Schams entfernt.

Premierminister Benjamin Netanyahu wandte sich mit einer Videobotschaft an Israels Drusen:

«Meine drusischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Lage in Suwaida, die Lage im Südwesten Syriens, ist sehr ernst. Die IDF handeln, die Luftwaffe handelt, auch andere Kräfte sind im Einsatz. Wir handeln, um unsere drusischen Brüder zu retten und um die Banden des Regimes zu zerschlagen.nnUnd jetzt habe ich eine Bitte an euch: Ihr seid israelische Staatsbürger. Überschreitet nicht die Grenze. Ihr setzt euer Leben aufs Spiel. Ihr könnt ermordet oder entführt werden, und ihr behindert die Bemühungen der IDF. Darum bitte ich euch: Kehrt nach Hause zurück und lasst die IDF handeln.»n

In einer offiziellen Erklärung der Gemeinde der religiösen Minderheit in Israel hiess es, alle Drusen sollten sich auf einen Grenzübertritt vorbereiten, um ihren «ermordeten Brüdern in Syrien zu helfen». Anführer der Drusen riefen zudem zu einem Generalstreik und einem Marsch auf die von Israel annektierten und an Südsyrien grenzenden Golanhöhen auf. Die Drusen in Israel machen Druck auf die dortige Führung, in den Konflikt im Nachbarland einzugreifen.

Familien flüchten in benachbarte Dörfer

Viele Menschen flüchteten aus der Gegend, um sich in Sicherheit zu bringen. Im Internet verbreitete Fotos und Videos zeigten Familien, die Suwaida in Richtung benachbarter Dörfer verliessen.

Angriffe sunnitischer Beduinen auf Angehörige der drusischen Minderheit waren am Sonntag ausgebrochen. Die Regierung in Damaskus schickte Truppen nach Suwaida im Versuch, im Land wie versprochen für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. In vergangenen Monaten kam es im Land mehrfach zu konfessionell motivierter Gewalt.

Die Gefechte in Suwaida gehen auch am Mittwoch weiter.
Bild: Mohammed Al Rifai / EPA

Israel solidarisiert sich mit Drusen

Das Nachbarland Israel, das sich dem Schutz der Drusen verpflichtet fühlt, griff erneut Ziele in Syrien an. «Das syrische Regime muss die Drusen in Suwaida in Ruhe lassen und seine Truppen abziehen», teilte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz mit. Sein Land werde die Drusen «nicht im Stich lassen». Israels Militär werde seine Angriffe auf die syrischen Truppen noch verstärken, «wenn die Botschaft nicht ankommt».

Am Dienstag hatte sich die Lage nach Verkündung einer Waffenruhe zeitweise beruhigt. Syriens Verteidigungsminister Marhaf Abu Kasra sprach von einer «vollständigen Waffenruhe nach einer Einigung mit den Würdenträgern». Nach dem angekündigten Abzug der Regierungstruppen kam es aber zu neuer Gewalt und die Kämpfe dauerten auch heute an.(dpa/rbu/watson.ch)