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«Alkoholmissbrauch ist bei älteren Menschen weit verbreitet»: Vier Fragen und Antworten zum Thema Sucht im Alter

Wer nicht mehr arbeiten muss, kann jeden Tag ein bisschen Ferien machen. Oft geht damit ein erhöhter Genussmittelkonsum einher. Worauf man achten sollte, wie man Sucht erkennt und wo man Hilfe findet.

Wer es aus eigener Erfahrung nicht kennt, kann es sich vorstellen: Nachdem man jahrelang von Montag bis Freitag früh aufstehen und den ganzen Tag arbeiten musste, kann einem der Ruhestand wie eine Erlösung vorkommen. Plötzlich hat man keine beruflichen Verpflichtungen mehr. Plötzlich fühlt sich jeder Tag ein bisschen wie Wochenende oder Ferien an.

Viele feiern ihr neues Leben mit einem Glas Wein oder einem kühlen Bier. Und weil man ja anderntags ausschlafen kann, dürfen es auch drei oder vier Gläser sei, selbst unter der Woche. Damit steigt die Suchtgefahr.

Die Statistik zeigt: Der tägliche Alkoholkonsum nimmt im Alter zu, wobei Männer tendenziell mehr konsumieren als Frauen. Aber auch andere Substanzen und Verhaltensweisen können zu Abhängigkeit führen. Hans Jürg Neuenschwander von der Suchthilfe ags, die im Kanton Aargau tätig ist, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Ist man als Seniorin oder Senior besonders suchtgefährdet?

Hans Jürg Neuenschwander:Sucht im Alter ist eine wachsende Herausforderung. Mögliche Gründe für die Entstehung von Suchtproblemen in den späteren Lebensjahren sind der Verlust des Partners oder von Freundinnen, Ängste, Einsamkeit, Medikamentenmissbrauch und Depression. Sucht im Alter kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen wie Sturzgefahr, Krebsrisiko und psychische Probleme haben. Zu einem erhöhten Suchtrisiko führen biologische oder psychische Faktoren wie chronischen Schmerzen, Schlafstörungen oder Depressionen.

Auch Einsamkeit, Isolation oder Überforderung im Alltag machen suchtanfälliger. Hinzu kommt ein veränderter Stoffwechsel im Alter: Substanzen wirken oft stärker oder länger als bei jüngeren Menschen. Zwischen Medikamenten und Suchtmitteln kann es zu Wechselwirkungen kommen. Ausserdem fällt Abhängigkeit bei älteren Menschen oft weniger auf, zum Beispiel bleiben «stille Alkoholiker oder Alkoholikerinnen» immer wieder lange Zeit unerkannt.

Welche Suchtmittel sind bei älteren Menschen besonders beliebt?

Alkoholmissbrauch und Nikotinabhängigkeit sind bei älteren Menschen weit verbreitet. Gemäss Modellberechnungen leben nikotinabhängige Menschen deutlich kürzer als Nichtraucher und Alkohol kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen, einschliesslich Lebererkrankungen und Sturzgefahr. Ältere Menschen sind auch anfälliger für die Abhängigkeit von verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Die verschriebenen Substanzen haben oft abhängig machende Nebenwirkungen. Die steigende Beliebtheit von Glücksspielen, auch im Online-Bereich, hat bei älteren Menschen zu einem Anstieg der Spielsucht geführt. Weniger verbreitet sind illegale Drogen: Häufig tritt diese substanzbezogene Abhängigkeit tritt oft dann auf, wenn andere Betäubungsmittel nicht mehr wirken und die Senioren keine andere Aussicht mehr auf Schmerzreduktion haben.

Wie kann man das Suchtrisiko im Alter minimieren?

Förderlich sind eine aktive Tagesgestaltung, körperliche Aktivität und Bewegung. Auch psychische Stabilität, eine gute ärztliche Versorgung und eine positive Lebensperspektive zählen zu den Schutzfaktoren. Darüber hinaus ist weniger suchtanfällig, wer sozial eingebunden ist, beispielsweise in Vereinen. Unterstützung von der Familie und von Freunden sowie Aufklärung über die Risiken können das Suchtrisiko ebenfalls minimieren.

Was sollte man tun, wenn man nach der Pensionierung das Gefühl hat, zu viel zu trinken oder andere Suchtmittel zu konsumieren?

Angehörige sollten auf Veränderungen im Verhalten und mögliche Entzugssymptome achten, um eine Suchtentstehung möglichst frühzeitig zu erkennen. Sowohl Betroffene wie auch Angehörige können die kompetente Unterstützung der Hausärzte, der dezentralen, ambulanten Suchberatungsstellen sowie der Suchtmedizin in Anspruch nehmen.

Die Suchtprävention im Alter im Kanton Aargau umfasst verschiedene Konzepte und Angebote, die darauf abzielen, Suchtmittelkonsum und problematische Verhaltensweisen zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen und zu intervenieren. Weitere Informationen und Kontaktangaben findet man auf Websites wiewww.alterundsucht.ch,www.suchtpraevention-aargau.choderwww.suchtberatung-ags.ch.