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SVP und Mitte schiessen scharf wegen dem Wolf – zielen aber eigentlich auf die Lega

Im Tessin werden deutlich weniger Wölfe geschossen als in Graubünden und Wallis, beklagen SVP und Mitte. Es ist wohl der Startschuss in einen heissen Wahlkampf.

Der Brief vom 21. Juli behauptet von sich, eine Medienmitteilung zu sein, aber eigentlich ist es eine Anklage. Satz für Satz dreschen die Präsidenten von Mitte und SVP auf Staatsrat Claudio Zali (Lega) und dessen Departement ein. Ein «Desaster» sei dessen Umgang mit dem Wolf, schreiben sie. Regierungsrat Zali habe «auf ganzer Linie versagt, er hat die Sicherheit der Landwirte gefährdet und die Arbeit und das Leben vieler Menschen zerstört.» Aufgrund seines «Desinteresses, wenn nicht gar Verachtung», seien Landwirte dazu gezwungen, ihre Weiden aufzugeben.

Was ist passiert?

Auslöser für die Attacke ist eine Medienmitteilung, die Zalis Departement einige Tage zuvor verschickt hatte. Mitte Juli berichtete das «Dipartimento del territorio» Neuigkeiten zum Wolf. Seit kurzem streifen fünf Rudel, zwei davon neu, durch das Tessin, dazu noch sechs stabile Paare.

Diese sorgen für mehr Schäden als im vergangenen Jahr. Noch steht in manchen Fällen eine genaue Analyse aus, aber die Raubtiere könnten 2025 bis zu 72 Schafe und Ziegen gerissen haben. Nur im Rekordjahr 2022 gab es höhere Zahlen.

Rund die Hälfte der Wolfsangriffe geschahen indes auf Alpen, die unzureichend geschützt waren. Nutztiere, die der Wolf auf solchen Weiden reisst, können weder für einen Schadensausgleich geltend gemacht werden, noch spielen sie eine Rolle für einen möglichen Abschuss. Dies sei auch der Grund, schreibt das Amt, dass im Tessin noch nicht der Abschuss eines oder mehrerer ganzer Rudel verfügt werden konnte – im Unterschied zum Wallis oder Graubünden. Stattdessen müsse sich das Tessin damit begnügen, Jungtiere zu regulieren.

1000 Stunden dem Wolf nachgespürt

Eine aufwendige Arbeit, wie Zali vorrechnet: «Im Jahr 2024 haben die Wildhüter allein für die Verfolgung von zwei Abschussanordnungen für einen einzelnen Wolf und zwei grundlegende proaktive Regulierungsanordnungen für zwei Rudel tausend Stunden für Monitoring, Patrouillen und Überwachungsaktivitäten aufgewendet.» Auch 2025 habe das Verfolgen zweier Wölfe in der Leventina und im Bavonatal einen Aufwand von mehr als 400 Stunden bei der Wildhüterei verursacht.

Solche Einwände lassen Mitte und SVP nicht gelten. Sie vergleichen die Zahlen mit anderen Kantonen: «Zwischen dem 1. Februar 2024 und dem 31. Januar 2025 wurden im Wallis 35 Wölfe getötet, in Graubünden 48 und im Tessin nur 3.» Das sei deutlich zu wenig. Wenn Zali nicht sofort handle, müsse ihm das Wolfsmanagement entzogen werden, schreiben die beiden Parteipräsidenten.

Kampf um Wählergunst

Das lässt aufhorchen und verweist auf einen Streit, der bereits seit einigen Wochen tobt. Zali selbst war es, der einen Abtausch seiner Geschäfte ins Spiel brachte. Anfang Juni kündigte er gemeinsam mit Justizdirektor und Parteikollege Norman Gobbi an, die Departemente tauschen zu wollen. Es brauche neuen Wind, sagten sie. Die beiden Lega-Funktionäre versetzten das politische Tessin stante pede in Aufruhr: Einen Departementswechsel ohne vorgängige Wahlen sah die Verordnung gar nicht vor.

Zur grossen Rochade kam es denn auch nicht. Mitte Juli einigte sich die Tessiner Regierung darauf, einzelne Verantwortlichkeiten zwischen den beiden Departementen neu zu verteilen. Ein Leichtes ist es aber seither für die anderen Parteien, den beiden langjährigen Politikern Amtsmüdigkeit vorzuwerfen. Auch die jüngste Wolfs-Attacke ist wohl in diesem Kontext zu lesen.

Gerade unter den rechten Parteien tobt im Südkanton ein erbitterter Kampf um Wähleranteile. Bei den nationalen Wahlen 2023 überholte die SVP die einst stolze Lega die Ticinesi. Diesen Triumph möchte sie bei den kantonalen Wahlen 2027 fortsetzen. Bis dann gilt für die Rechtsparteien der Spruch von Thomas Hobbes: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.