
Verachtung für Ostdeutsche, Bewunderung für Trump: Wie sich Springer-Chef Mathias Döpfner im kleinen Kreis äusserte
Der deutsche Medienkonzern Axel Springer kommt nicht zur Ruhe: Nachdem im März überraschend die gesamte Führungsriege der «Bild»-Zeitung ausgetauscht worden war,zitiert das Wochenblatt «Die Zeit»nun ausführlich aus Mails und Chatnachrichten, die Springer-Chef Mathias Döpfner in den letzten Jahren an Vertraute geschrieben hat.
Der Inhalt der Episteln wirkt durch seine Schärfe spektakulär, ist jedoch weniger überraschend als es die Aufregung, welche die Branche nun erfasst hat, vermuten lässt: Döpfners Ansichten waren ebenso bekannt wie seine Neigung, bei Äusserungen im kleinen Kreis masslos zuzuspitzen.
So gesehen wird nun ein Bild abgerundet, das sich viele längst gemacht haben dürften: Der Springer-Chef als Mann mit libertären Neigungen, der sich positiv über Donald Trump äusserte, der aber auch – und hier widerlegt Döpfner ein Klischee, das unter seinen Gegnern in Umlauf sein mag – echten Abscheu gegen die rechtsradikale AfD empfindet.
Freude über den Klimawandel
Am meisten Empörung ruft derzeit eine Sottise über die Ostdeutschen hervor: Diese seien «entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig», so Döpfner in einer seiner mit Schreibfehlern gespickten Messages. «Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen.»
Für Trump fand der Springer-Chef dagegen lobende Worte, nachdem die Amerikaner im Januar 2020 den iranischen General Qasem Soleimani ausgeschaltet hatten: «Mein Vorschlag. Friedensnobelpreis für Trump. Und ibama wieder wegnehmen», schrieb Döpfner, wobei er mit «ibama» mutmasslich Trumps Vorgänger Barack Obama meinte.
Den Klimawandel begrüsste der Springer-Chef: «Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte», verkündete er 2017, als er der «Bild»-Zeitung die publizistische Linie vorgab. Zudem verlangte er von den Redaktoren, sich für den freien Westen sowie gegen intolerante Muslime «und all das andere Gesochs» einzusetzen. In Fragen der persönlichen Lebensgestaltung verordnete Döpfner Toleranz: «Fritz zwo: jeder soll nach seiner Fasson (oder facon)…))», dekretierte er offenbar unter Anspielung auf den Preussenkönig Friedrich den Grossen, der eine liberale Haltung in religiösen Fragen vertrat.
Merkel als «sargnagel der Demokratie»
Dass der Springer-Chef kein Freund Angela Merkels ist, kommt für jeden, der während der Flüchtlingskrise die «Bild»-Zeitung las, kaum überraschend: «M» habe den Verstand verloren, liess Döpfner seine Vertrauten im Februar 2020 wissen. Die Kanzlerin sei ein «sargnagel der Demokratie», ihre Politik führe zu «einer absoluten Mehrheit der AfD».
Mit seinen parteipolitischen Präferenzen hielt Döpfner nicht hinterm Berg. Zwei Tage vor der Bundestagswahl 2021 wandte er sich direkt an den damaligen «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt: «Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert».
Der «Zeit»-Bericht mag für Döpfner peinlich sein, doch damit, dass seine Tage an der Springer-Spitze gezählt sein könnten, rechnet in Berlin derzeit kaum einer. Der studierte Musikwissenschafter und frühere Journalist ist nicht nur CEO, sondern auch Eigentümer: 2019 schenkte Axel Springers Witwe Friede ihm nicht nur Aktien im Wert von einer Milliarde Euro, sondern überliess ihm auch ihre Stimmrechte.
Der Fall Reichelt ist noch nicht ausgestanden
Dennoch dürften die kommenden Wochen für den Springer-Chef stürmisch werden: Nächste Woche erscheint ein Buch des Schriftstellers Benjamin von Stuckrad-Barre, eines einstigen Döpfner-Intimus; erwartet wird ein Schlüsselroman über die Verhältnisse bei Springer.
Deutsche Medien spekulieren nun, ob es Stuckrad-Barre war, der die «Zeit» mit Indiskretionen gefüttert hat. Ein Verdacht fällt allerdings auch auf Reichelt, der als «Bild»-Chef Döpfners politische Linie durchexerzierte,im Oktober 2021 aber gehen musste, nachdem die «New York Times» berichtet hatte, auf welch rücksichtslose Weise er seine Machtposition gegenüber jungen Kolleginnen ausgenutzt haben soll.Reichelt will nun rechtlich gegen Springer vorgehen; der Verlag wirft seinem einstigen Mitarbeiter vor, er habe Dokumente mitgehen lassen.

Bild: Clemens Bilan / EPA
Dass Döpfner seinen Paladin Reichelt fallen liess, führten Beobachter nicht zuletzt auf den Expansionskurs des Unternehmens in Amerika zurück: Während Springers deutsche Flaggschiffe «Bild» und «Welt» laufend an Bedeutung verlieren, ist der Konzern in den USA, wo ihm unter anderem das Onlinemedium «Politico» gehört, auf Wachstumskurs.
Reichelts Fall war demnach der Moment, in dem amerikanische Corporate-Governance-Regeln mit der althergebrachten testosterongeladenen Unternehmenskultur Springers zusammenstiessen.Indem er 2019 den amerikanischen Investor KKR als Miteigentümer ins Boot holte,hat Döpfner seine eigene Position womöglich nicht gestärkt, auch wenn der KKR-Europa-Chef Philipp Freise im März noch erklärte, bei Springer sei «ein grossartiger CEO am Werk».
Intern kommunizierte Springer am Donnerstag, der «Zeit»-Artikel stütze sich auf «manipulative SMS-Fetzen». Döpfner sei ein meinungsstarker Chef, der aus Prinzip Widerspruch herausfordere.