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Wo Sackmesser noch gerne gesehen werden

Samstagmorgen, 5.15 Uhr, und mein Wecker klingelt bereits. Für mich als Morgenmuffel Horror. Es sei denn, die nervigen iPhone-Töne wecken mich für den Beginn einer Reise. Das ist an diesem Morgen aber nicht der Fall. «Warum tue ich mir das an?», denke ich mir. Verschlafen gehe ich in die Küche, mein «Frühstück» besteht wie immer nur aus einem Glas Wasser. Dann packe ich meinen Rucksack und streife mir das Edelweisshemd über. Zum ersten Mal in meinem Leben gehe ich an ein Schwingfest.

Vor unserer Wohnung warten wir auf die Schwester meiner Freundin. Für mich ist es immer noch viel zu früh am Morgen, dafür schimmert es am Horizont unglaublich schön rot. «Schau mal, wie schön der Himmel aussieht», sage ich zu meiner Freundin. «Das sehe ich jeden Morgen», sagt sie wenig begeistert. Kein Wunder, frühes Aufstehen ist für sie Alltag. Dann geht es in Richtung Solothurn auf den Weissenstein ans Bergkranzfest. Die Eingangskontrolle ist mit Ticketzeigen einfach gehalten, Körperkontrollen, wie ich sie von Fussballspielen kenne, gibt es hier nicht. Erstaunlich, pilgern mit etwas mehr als 5000 Schwingbegeisterten doch nicht gerade wenige Personen auf den Solothurner Hausberg. Die Sackmesser in den Rucksäcken für das traditionelle «Brättli» stören hier niemanden. Man stelle sich vor, was an einem Fussballspiel in der Super League passieren würde, wenn beinahe jede Person ein Messer dabeihätte.

Dann folgen die ersten Highlights. Gleich nach dem Eingang begegnen wir dem Schwingerkönig Matthias Sempach. Den kenne sogar ich als Schwingbanause. Dann das zweite: Es gibt das erste Bier an diesem Tag. Mit dem «Öufibier» in der Hand schlendern wir schliesslich zu unserem Sitzplatz auf der Zuschauertribüne und das Schwingfest kann endlich beginnen. Nach ein paar Schwinggängen und einigen Bieren zückt mein künftiger Schwager das Messer und verarbeitet den mitgebrachten Käse, Speck und Salami zu einem schönen «Brättli». Damit sind wir bei weitem nicht die Einzigen. Auf den Tribünen teilen sich fremde Menschen die mitgebrachten Leckereien. Auch unsere Sitznachbarn helfen uns, ohne zu zögern, mit Bier aus ihrer Kiste aus, als unsere Flaschen leer sind. Sogar auf dem Weg zur Toilette bieten uns fremde Menschen Zopf an.

Genau dieses Teilen unter Fremden und die gute Stimmung unter den Schwingfans tragen wahrscheinlich dazu bei, dass strengere Eingangskontrollen überflüssig sind. Hier zückt man das Messer, um das mitgebrachte Essen zu teilen, und nicht, um Menschen zu verletzen. Und so bleiben mir von meinem ersten – und sicher nicht letzten – Schwingfest nur gute Erinnerung. Ich gehe auf jeden Fall wieder hin.