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«Merzinfarkt» in Berlin: Waffen-Lieferstopp an Israel entzweit das Gefolge des Kanzlers

Weniger Waffen für Israel: Der Alleingang von Friedrich Merz versetzt die eigenen Parteireihen in helle Aufruhr und zwingt den Bundeskanzler zu einem aussergewöhnlichen Schritt.

Ganz und gar abtauchen – das kann ein deutscher Bundeskanzler nicht einmal im Urlaub. Doch der Grund, warum Friedrich Merz am Wochenende seine Sommerferien unterbrochen hat, ist gleichwohl ein ungewöhnlicher. Merz sah sich gezwungen, im Fernsehen seine Israel-Politik gegen Kritik aus den eigenen Unions-Reihen zu verteidigen.

Immerhin musste er dafür nicht aus dem Ausland einfliegen, Merz urlaubt in Deutschland, unter anderem in seinem Ferienhaus am bayerischen Tegernsee. Im Interview mit den ARD-Tagesthemen versuchte Merz zu betonen, dass Deutschland natürlich weiterhin an Israels Seite stehen werde. Dennoch sei der Stopp von Waffenlieferungen, den er vergangene Woche verkündet hatte, richtig. In politischen Kreisen war wortspielerisch von einem ersten «Merzinfarkt» innerhalb der Union die Rede.

Rückblick auf vergangenen Freitag: Das Bundeskanzleramt verschickt die recht kurze «Pressemitteilung 178». Diese ist eine Reaktion auf die Ankündigung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, den gesamten Gaza-Streifen einnehmen zu wollen.n «Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gaza-Streifen zum Einsatz kommen können», heisst es im Schreiben des Kanzleramtes.

Welche Waffen das sind, wird nicht erklärt. Laut ARD werden Rüstungsgüter der Luft- und Seeverteidigung, die zentral für die Selbstverteidigung Israels seien, weiterhin geliefert. Von SPD-Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil kommt Zustimmung. Er nennt den Stopp «eine richtige Entscheidung», da das Leid der Zivilbevölkerung unerträglich sei.

Israels Drecksarbeit ohne deutsche Waffen

Ganz anders ist die Stimmung in der Union. Dort löste die Entscheidung harsche Kritik aus. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Winkel, der auch Chef der Jungen Union ist, schreibt auf «X»: «Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen.» Es ist eine Anspielung auf eine Aussage von Merz im Juni. Damals hatte er zu den Angriffen Israels auf Atomanlagen im Iran erklärt: «Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.»

Auch Roderich Kiesewetter (CDU), Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, sagte: «Die Aussetzung von Waffenlieferungen an Israel halte ich persönlich für einen schweren politischen und strategischen Fehler Deutschlands.» Er betonte zudem: «Einem Freund wie Israel vertraue ich, dass er die Waffen völkerrechtskonform einsetzt.»

Unterstützung für Israel ist ein wichtiger Bestandteil der aussenpolitischen Linien der Union. Kanzlerin Angela Merkel hatte, angesichts der deutschen Geschichte, 2008 in der Knesset erklärt: «Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heisst, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.»

Merz selbst hatte noch im Januar, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, erklärt: «Eine von mir geführte Bundesregierung wird auch unsere Beziehungen zu Israel festigen. Ich werde das faktische Exportembargo der amtierenden Bundesregierung umgehend beenden. Künftig wird gelten: Was Israel zur Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts benötigt, wird Israel auch bekommen.»

Eine Freundschaft muss das aushalten

Viele empfinden darum Merz’ Entscheidung nun als Kurswechsel. Nicht nur dieser stösst ihnen sauer auf, für Unmut sorgt auch, dass Merz die Fraktion ebenso wenig wie die Schwesterpartei CSU in Bayern eingebunden hat. Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder soll, so berichtet es die «Bild»-Zeitung, ziemlich wütend sein. Auch Horst Seehofer, der heutige Ehrenvorsitzende der CSU, kritisiert Merz und meint: «Dieser aussenpolitische Fehler wird lange fortwirken.»

CSU-Chef Markus Söder soll ziemlich wütend sein.
Bild: Christoph Soeder / EPA

Da sich die Wogen einfach nicht glätten wollten, verteidigte Merz sich in der ARD. Dort erklärte er, es gebe keinen Wechsel in der Israel-Politik, aber wegen Israels Vorgehen im Gaza-Streifen einen «Dissens». Merz: «Das hält aber eine Freundschaft aus.» Der Kanzler betonte, Deutschland stehe weiterhin fest an der Seite Israels: «Wir werden diesem Land auch weiter helfen, sich zu verteidigen.»

Dann kam das grosse Aber: «Wir können nicht Waffen liefern in einem Konflikt, der jetzt ausschliesslich versucht wird mit militärischen Mitteln gelöst zu werden und der Hunderttausende von zivilen Opfern fordern könnte.» Trotz dieser Klarstellung reisst die Kritik am deutschen Bundeskanzler nicht ab. So mahnt der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU): «Die Terrororganisation Hamas stellt man nur im Kampf, nicht am Konferenztisch.»