
«Heute ist der Tag der Befreiung!» Trump schickt die Nationalgarde nach Washington
In der amerikanischen Hauptstadt ist die Kriminalität ausser Kontrolle geraten – sagt Donald Trump. Deshalb werde er nun die Stadtpolizei von Washington unter Bundeskontrolle stellen und 800 Nationalgardisten aufmarschieren lassen. «Wir rufen den öffentlichen Sicherheitsnotstand im District of Columbia aus», so der US-Präsident in einer Pressekonferenz am Montag. Dieser soll vorerst 30 Tage lang gelten.
Er hält einen Papierstapel in die Luft und zeigt auf eine Grafik: In Washington sei die Mordrate höher als in Bogotá (Kolumbien), Mexiko-City oder Bagdad (Irak). Schon vor der Pressekonferenz erklärte er auf seiner Plattform Truth Social, Washington werde «heute BEFREIT!». Die «Tage des rücksichtslosen Tötens oder Verletzens unschuldiger Menschen» würden beendet, schrieb er.
Trump hatte zuvor Obdachlosen die Vertreibung aus Washington angedroht und neue Massnahmen gegen Kriminalität angekündigt. «Die Obdachlosen müssen wegziehen, SOFORT», schrieb Trump am Wochenende auf Truth Social. Bald werde es Unterkünfte für sie geben. Die seien aber «weit weg» von der Hauptstadt.
Vor einigen Wochen kündigte der US-Präsident bereits an, gegen Obdachlose vorgehen zu wollen, die sich in der Nähe des Weissen Hauses aufhalten: «Ich finde das schrecklich und wir werden sie sofort entfernen lassen.» Auf Truth Social verbreitete Trump zudem Fotos von Camps, die er auf dem Weg zu seinem Golfplatz in der Agglomeration von Washington gesehen hatte.
Trump will «Slums» beseitigen
Die demokratische Stadtpräsidentin Muriel Bowser warnte, der Einsatz der Nationalgarde sei nicht der effizienteste Weg, um die Stadt sicherer zu machen. Stattdessen findet sie, es brauche mehr Staatsanwälte, Richter und Reparaturen in Parks und an Gebäuden. Sie hielt fest, sie wolle mit Trump weiter an den Themen arbeiten, die ihm wichtig sind, ergänzte aber: «Wenn die Priorität jetzt darin besteht, in einer amerikanischen Stadt Stärke zu demonstrieren, dann wissen wir, dass er das hier tun kann. Aber es wird nicht daran liegen, dass die Kriminalität gestiegen ist.» Im Vergleich zum Anstieg im Jahr 2023 sei die Gewaltkriminalität rückläufig.

Bild: Imago
Aber natürlich ist in Washington – wie in vielen anderen amerikanischen Grossstädte auch – die Zahl der Gewaltverbrechen immer noch hoch. 99 Menschen wurden in der Stadt, in der rund 702’000 Menschen wohnen, seit Jahresbeginn bereits ermordet. Zum Vergleich: In der ganzen Schweiz wurden im gesamten vergangenen Jahr 45 Menschen Opfer eines Tötungsdelikts.
Viele der Gewaltverbrechen in Washington ereignen sich aber weitab von den Vierteln, in denen sich Touristinnen und Touristen normalerweise bewegen. Betroffen sind vor allem die Quartiere östlich des Anacostia Rivers, seit Jahrzehnten die natürliche Grenze zwischen den teuren Strassenzügen in der Innenstadt und den Aussenquartieren, die mehrheitlich von Afroamerikanern bewohnt werden. Trump deutete am Montag an, dass er auch vor städtebaulichen Eingriffen nicht zurückschrecken werde. Die «Slums von Washington», die würden bald beseitigt, sagte der Präsident.
Das wird wohl eine leere Drohung bleiben, gibt es doch in Washington schon lange keine Slums mehr. Aber weil die Hauptstadt ein besonderes politisches Gebilde darstellt, besitzt Trump tatsächlich Kompetenzen, um sich über die Köpfe der lokalen Politiker hinweg in den Alltag von Washington einzumischen. Das hat damit zu tun, dass der District of Columbia kein eigener Bundesstaat ist, sondern direkt dem Kongress unterstellt ist.
In den Siebzigerjahren entschieden Senat und Repräsentantenhaus zwar, der Stadt ein gewisses Selbstverwaltungsrecht zu überlassen – weil die Bundesregierung aber im Zentrum von Washington viel Grund und Boden besitzt, spielt sie in Sicherheitsfragen immer noch eine zentrale Rolle. So patrouillieren um das Weisse Haus bereits jetzt der Secret Service und andere Polizeieinheiten der Bundesregierung. Nun wird Trump auch auf die Stadtpolizei zurückgreifen können – ein Schritt, der das ohnehin fragile Verhältnis zwischen dem Präsidenten und der demokratisch regierten Hauptstadt weiter belasten dürfte.