
Femizid: Ex-Mann ersticht Frau und zwei Töchter mit Küchenmesser – das Paar hatte sich erst im Juni getrennt
Der Schauplatz des Verbrechens ist die Avenue Soguel, eine Strasse im Neuenburger Stadtteil Corcelles. Etwa um 23.15 Uhr dringen zwei Polizisten in eine Wohnung ein und treffen auf ein Bild des Schreckens.
Sie entdecken zwei blutüberströmte Kinder und einen Mann mit Verletzungen. Dieser hält ein Messer in der Hand und stürmt auf die Ordnungshüter los. Ein Polizist stoppt den Angreifer mit drei Schüssen. Dann wird er in Handschellen gelegt. Die Kinder sind schon seit einiger Zeit tot. In einem anderen Zimmer stossen die Polizisten auf die Leiche einer Frau. Auch die Katze lebt nicht mehr.
Paar lebte seit kurzem getrennt
Bei dem mutmasslichen Täter handelt es sich um einen 52-jährigen Algerier. Das gaben die Polizei und die Staatsanwaltschaft am Dienstagmorgen an einer Pressekonferenz bekannt. Das Paar lebte seit dem 12. Juni getrennt, der Mann zog nach Le Locle. Die Familie verfügte über eine Niederlassungsbewilligung. Die Tatwaffe war ein etwa 15 Zentimeter langes Küchenmesser mit relativ dicker Klinge.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen vorsätzlicher Tötung und versuchter Tötung wegen des Angriffs auf den Polizisten. Die Staatsanwaltschaft hat beim Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft beantragt. Der Verdächtige befindet sich im Spital und konnte noch nicht befragt werden. Je nach Ergebnis der Befragungen kommt auch der Tatbestand des Mordes infrage. Das ist dann der Fall, wenn der Täter besonders skrupellos und aus besonders verwerflichen Motiven agiert. Auch die Schussabgabe durch den Polizisten wird untersucht. Laut Staatsanwalt Jean-Paul Ros deuten erste Erkenntnisse darauf hin, dass der Einsatz der Schusswaffe verhältnismässig war.
Polizisten erwarteten kein Verbrechen
Eine Patrouille rückte zur Wohnung in Corcelles aus, nachdem um 21.15 Uhr ein Notruf eingegangen war. Ein im Ausland lebender Angehöriger der Familie zeigte sich besorgt, weil er seit 14 Uhr keine Nachrichten mehr von der Mutter gehört habe. Er erwähnte eine angespannte Familiensituation.
Gemäss Simon Baechler, dem Chef der Neuenburger Kriminalpolizei, hatten die Polizisten keine Anzeichen, dass sie auf eine solch dramatische Situation treffen würden. In der Wohnung brannte kein Licht, man hörte keine Geräusche, auch unmittelbar getätigte Nachforschungen bei Nachbarn liessen kein Verbrechen erahnen.
Der Bekannte der Familie habe beim Telefonat ebenfalls nicht derart beunruhigt gewirkt, dass man hätte mit dem Schlimmsten rechnen müssen, so Baechler. Anrufe wie jener des Angehörigen zu möglicher häuslicher Gewalt gehörten zur Tagesordnung. Um auf Nummer sicher zu gehen, entschied die Polizei um 22.30 Uhr, die Tür zu öffnen. Sie bot einen Schlosser auf, der etwa eine halbe Stunde später eintraf, um seine Arbeit zu verrichten.
Keine Anzeichen auf schwere häusliche Gewalt
Die Polizei stand darauf mit einem Grossaufgebot im Einsatz. Auch Rettungskräfte und ein Helikopter waren vor Ort. Zu Details wie der Anzahl der Messerstiche konnte die Polizei noch keine Angaben machen. Die Leichen werden einer Autopsie unterzogen.
Beim Paar war es schon früher zu Spannungen gekommen. Zwischen 2020 und 2022 intervenierte die Polizei mehrmals wegen Streitigkeiten, namentlich häuslicher Gewalt und gegenseitiger Vorwürfe bezüglich Sachbeschädigung. Der Mann wurde wegen dieses Delikts verurteilt. Anzeichen auf gravierend schwere häusliche Gewalt hatten die Strafverfolgungsbehörden aber damals nicht. Und seit 2022 drangen gar keine Hinweise mehr bis zur Polizei, die Massnahmen erfordert hätten. Der Moment der Trennung sei immer ein heikler Moment, sagte Baechler. Polizei und Staatsanwaltschaft starten jetzt Ermittlungen, um die Hintergründe des Femizids und das Motiv der Tat zu klären.
Zwei ähnliche Dramen in der Romandie
Bereits Anfang Juli wurde in der Westschweiz ein ähnliches Delikt verübt. Die Freiburger Kantonspolizei fand in Givisiez in einer Wohnung die Leichen einer 30-jährigen Frau mit mazedonischer Staatsbürgerschaft und eines sechs Wochen alten Babys. Erste Ermittlungen deuteten darauf hin, dass sie der 43-jährige Ehemann mit einem Messer tödlich verletzte und darauf auch das Neugeborene tötete. Der Bulgare versuchte darauf, sich das Leben zu nehmen, und erlitt dabei leichte Verletzungen. Er gestand die Tat. Das Paar war der Polizei vor dem Verbrechen nicht bekannt wegen häuslicher Gewalt.
Der Kanton Freiburg war schon im April Schauplatz eines Dramas. Ein 41-jähriger Mann kosovarischer Herkunft tötete seine 39-jährige Frau am Wohnsitz ihres Arbeitgebers, steckte darauf mutmasslich das Haus in Flammen und richtete sich selbst. Der Mann verbrachte im letzten Jahr wegen Drohung und sexueller Gewalt zweieinhalb Monate in Untersuchungshaft, wurde aber unter Auflagen freigelassen. So durfte er seiner Frau und seinen Kindern nicht näher als 200 Meter kommen.