
Verurteilter Neonazi wechselt das Geschlecht – um in den Frauenknast zu kommen
«Marla helfen?» steht auf einem KI-generierten Bild von Marla-Svenja Liebich, das sie hinter Gittern zeigt. Wer sie «im Knast» unterstützen will, könne in ihrem Fanshop etwas aus dem «riesigen, bunten Angebot» kaufen. So bewirbt Liebich auf «X»die anstehende Gefängnisstrafe.
Bald soll sie wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zur Haftvollstreckung in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz antraben. Das ist ein Frauengefängnis. Bis Ende 2024 hiess Marla-Svenja noch Sven und war ein bekanntes Gesicht der rechtsextremen Szene.
Zu diesem verrückten Fall eine Übersicht in fünf Punkten:
Was ist passiert?
Im Juli 2023 wurde Marla-Svenja Liebich, damals noch unter ihrem männlichen Vornamen, wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt. Die Berufung und die Revision, die darauf folgten, blieben erfolglos. Das Urteil ist also rechtskräftig.
Im November 2024 liess Liebich seinen Geschlechtseintrag von männlich auf weiblich ändern. Das geht in Deutschland seit dem 1. November 2024 auch ohne psychiatrisches Gutachten. Seit dann ist das neue Selbstbestimmungsgesetz zum Schutz von Transmenschen in Kraft. Damit stellte sich die Frage, ob Liebich die Haftstrafe in einem Frauen- oder Männergefängnis absitzen muss.
Wie ernst ist es Marla-Svenja Liebich mit der Änderung ihres Geschlechts?
Auf den Tisch im Gerichtssaal stellte Liebich jeweils demonstrativ einen Lippenstift und einen Nagellack auf. Ab und zu trug sie die Schminke auch im Saal auf. In den sozialen Medien teilt sie unter anderem ihren neuen Personalausweis. Den Lippenstift trägt sie auf dem Bild zwar nicht, dafür aber ein Tichel, also ein Kopftuch, das verheiratete orthodoxe und ultraorthodoxe Frauen tragen. Dieses trage sie «nicht aus Mode, sondern aus religiöser Überzeugung. Sonst wäre dieses Foto gar nicht genehmigt worden worden», schreibt sie dazu.
Wenn jemand ihr unterstelle, den Glauben nur vorzuspielen, agiere diese Person nicht nur diskriminierend, es sei auch eine «Verleumdung mit juristischen Folgen». Ähnlich äusserte sie sich auch schon in Bezug auf ihre Geschlechtsumwandlung. Gegen Medien, die immer noch männliche Pronomen benutzten, ging sie juristisch vor. Vom deutschen «Spiegel» forderte Liebichs Anwalt beispielsweise eine strafbewehrte Unterlassungserklärung und Schmerzensgeld.
Auf X postet Liebich zudem einen Screenshot ihres Postfachs. Dazu: «Spiegel und Autor:innen angezeigt, Queerbeautragte Sophie Koch (SPD) mit Strafanzeige und Strafantrag belegt. Dienstaufsichtsbeschwerde beim Familienministerium eingereicht. Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird informiert.» Darunter setzt sie die beiden Hashtags «Free Marla» und «Rechtsstaat».
Wer war Sven Liebich?
Bevor Marla-Svenja ihr religiöses und geschlechterspezifisches Erwachen hatte, machte sie sich als Sven Liebich einen Namen in der rechtsextremen Szene. In seinem Onlineshop verkaufte er unter anderem Judensterne mit Aufschriften wie «ungeimpft» (während der Corona-Pandemie), «Dieselfahrer» und «AfD-Sympathisant». Angela Merkel verglich er während der Coronazeit oft mit Adolf Hitler. Während einer Demonstration trug er eine Jacke mit der Aufschrift «Merkel-Jugend».
Liebichs Onlineshop ist natürlich nicht nur mit antisemitischen Produkten gefüllt. Auch homophobe und explizit transfeindliche T-Shirts gibt es zu kaufen. Darunter ein T-Shirt mit durchgestrichener Regenbogenfahne und ein Motiv, auf dem ein Piktogramm einer Frau ein Piktogramm einer Frau mit Penis wegstösst, dazu die Aufschrift «Toleranz hat Grenzen».
So reagieren Medien und Politik
Der Fall Marla-Svenja Liebich hat weit über die Landesgrenzen Wellen geschlagen. Die Frage nach der möglichen Unterbringung von Liebich in einem Frauengefängnis und die breitere Debatte um die Risiken des Selbstbestimmungsgesetzes werden in Medien wie der US-Zeitung «Washington Post» oder der britischen BBC diskutiert.
In Deutschland sagte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), der Fall Liebich sei ein Beispiel für den «sehr simplen Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes». Dagegen brauche es klare Regeln. «Die Justiz, die Öffentlichkeit und die Politik werden hier zum Narren gehalten, weil das Selbstbestimmungsgesetz die Möglichkeit dazu bietet», sagte Dobrindt im Interview mit dem deutschen «Stern». Eine Evaluation des Gesetzes ist eigentlich erst für 2026 geplant. Die Unionsfraktionen fordern nun eine Vorverlegung des Datums.
Die queerpolitische Sprecherin der Grünen, Nyke Slawik, sprach sich am Dienstag klar gegen den Ansatz der Union aus. «Wegen einer Person, die das Selbstbestimmungsgesetz eventuell missbräuchlich in Anspruch genommen hat, nun die Grundrechte von trans, inter und nicht binären Personen pauschal beschneiden zu wollen, wäre populistisch und entsetzlich zugleich», sagte sie laut «Spiegel».
Wie geht es jetzt weiter?
Wo Svenja-Marla Liebich ihre Haftstrafe letztlich absitzen wird, ist noch offen. Die erste Vorladung in eine Frauenanstalt war laut dem sächsischen Justizministerium, das der JVA Chemnitz übergeordnet ist, noch keine endgültige Entscheidung. Einzelfälle würden sorgfältig geprüft. In Zweifelsfällen werde eine ärztliche oder psychologische Stellungnahme eingeholt, heisst es weiter. So würden Mitinhaftierte und Betroffene geschützt. Gegen die Gutachten hat sich Liebich auf «X» bereits ausgesprochen: «Hab soeben vorsorglich meine Patientenverfügung an die JVA Chemnitz geschickt. Im Vorfeld klargestellt: keine psychologische Begutachtung, keine Zwangsmassnahmen ohne Einwilligung. So vergesse ich auch drin nichts – alles ist geregelt.»