
«Ich war nie ein Gesundheitsfanatiker»: Der älteste Linner Heini Kohler erzählt aus seinem Leben
«Ich hätte nie woanders wohnen wollen», sagt Heinrich «Heini» Kohler mehrmals während des Gesprächs mit der AZ, das in seinem Zuhause in Linn stattfindet. Sein ganzes Leben hat er hier verbracht. 99 Jahre sind es nun. Heute, am 27. August, hat er Geburtstag. Feiern werde er aber nicht gross, sagt der älteste Linner. «Der eine oder andere Bekannte wird wohl vorbeikommen.»
Einen Tipp, wie man es schafft, so alt zu werden, hat er nicht. «Ich war nie ein Gesundheitsfanatiker», sagt Heini Kohler und schmunzelt. Er freut sich aber, dass er auch jetzt mit 99 Jahren im Grossen und Ganzen noch gesund ist. Auch wenn er natürlich «nicht mehr so gschwind» sei.
Um Französisch zu lernen, ging er nach Neuenburg
Heini erblickte 1926 als zweites Kind von Max und Lili Kohler (gebürtige Burg) das Licht der Welt. Die Familie führte den damals grössten Bauernhof in Linn. Die Mutter war zudem Lehrerin in Rheinfelden. Sie gehörte zu den Pionierinnen des organisatorischen Zusammenschlusses der Landfrauen. Nachdem sie einen kantonalen Verband im Aargau gegründet hatte, setzte sie sich mit einigen Mitstreiterinnen für einen Zusammenschluss der Kantonalverbände auf schweizerischer Ebene ein. Später wurde sie die erste Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes, die auch selbst Bäuerin war.
Gerne erinnert sich Heini Kohler daran zurück, wie er und sein ein Jahr älterer Bruder jeweils mit den Ski zur Bezirksschule, die damals noch in Schinznach-Dorf war, fuhren. «Früher gab es noch gute Winter», sagt er. Viel Freude machte ihm auch, dass er nach seiner Schulzeit als Betreuungsperson ins Skilager der Bezirksschule mitgehen konnte. «Mit mir waren jeweils die guten Skifahrer unterwegs», erzählt er nicht ohne Stolz.

Bild: Raphaël Dupain
Weil Heini Kohlers Mutter fand, «du solltest besser Französisch lernen», besuchte er nach der obligatorischen Schulzeit ein Jahr lang in Neuenburg die Handelsschule. Zusammen mit vier anderen Jungs wohnte er dort bei einer Witwe. «Natürlich sprachen wir nur Schweizerdeutsch untereinander», sagt Kohler. Aber es sei eine schöne Zeit gewesen. «Für mich war es wie Ferien.»
Danach absolvierte er die Zürcher Landwirtschaftsschule Strickhof und den Militärdienst bei der Transporttruppe. Er wurde Offizier und kam so etwas in der Schweiz, insbesondere auch im Aargau, herum, was er sehr genoss. Ansonsten sei Reisen wegen des Hofes nicht einfach gewesen, sagt Heini Kohler.
Diesen übernahm er in den 60er-Jahren von seinen Eltern. Lange wurde hier noch mit zwei Pferden gearbeitet. «Ich habe dann einen Traktor gekauft», erinnert sich Kohler. Er betrieb den Hof als Junggeselle, viele Jahre lang wurde er dabei von Knecht Kari unterstützt.
Die Familie Kohler ist seit dem 17. Jahrhundert hier ansässig
Heini Kohler hatte im Laufe seines Lebens in seiner Heimat vielseitige Aufgaben. Etwa als Sektionschef der Armee auf dem Bözberg, als Gemeindeammann von Linn und als Steueramtsvorsteher. «Es hiess jeweils, niemand wolle diese Aufgaben machen. Also habe ich sie halt gemacht», meint Kohler bescheiden.
Einen Grossteil seines Landwirtschaftslands hat er schon vor vielen Jahren verpachtet und auch das Milchvieh hat er verkauft. «Jetzt kann ich morgens etwas länger schlafen», freut er sich. Bis im Februar fuhr er auch noch Auto und Traktor. Dass ihm das aus Altersgründen von den Behörden untersagt wurde, ärgert ihn und macht ihn traurig. «Jetzt bin ich hier blockiert.»

Bild: Markus Canzani
Die Einkäufe würden ihm nun die Nachbarn besorgen, sagt der Ortsbürger, dessen Familie schon seit dem 17. Jahrhundert in Linn ansässig ist. Den Haushalt macht er, der von Dorfbewohnern als ordentlich und genau beschrieben wird, noch selbst. Auch die Lindenblüten für den Tee pflückt er selbst –allerdings nicht von dem sagenumwobenen über 800-jährigen Baum, der eingangs Dorf steht,sondern von einem jüngeren Exemplar in der Nähe seines Hauses. Wer weiss, vielleicht ist genau dies das Geheimnis seines hohen Alters: Lindenblütentee von einer Linde aus Linn.