
Warum Jaqueline Badran den Eigenmietwert plötzlich nicht mehr abschaffen will – und wer sonst seine Meinung auch geändert hat
Jetzt ist auch die «bestmögliche Lösung» nicht mehr gut genug. Jaqueline Badran spricht sich gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts aus – obwohl sie in der Parlamentsdebatte noch dafür war. In einem gewohnt wortreichen Interview mit dem «Tages-Anzeiger»führt die SP-Nationalrätin ihre Meinungspirouette aus. Der Systemwechsel sei zwar konsequent, die Vorlage führe aber zu grossen Steuerausfällen und bringe den Mietenden nix. Oder wie es Badran sagt: «Es ist eine ambivalente Geschichte.»
Da hat die «Immobilien-Ikone», wie sie SRF jüngst nannte, einen Punkt. Die Geschichte der Abschaffung des Eigenmietwerts ist voll von solchen Ambivalenzen. Beginnen wir bei Badran: Die jetzige Vorlage kam unter anderem auch dank ihr zustande. In der Kommission setzte sich am Schluss eine Mitte-links-Mehrheit durch – inklusive der Zürcher Nationalrätin.
Während FDP und SVP gerne mehr Abzugsmöglichkeiten beibehalten hätten, setzte eine Allianz aus Mitte, Grünliberalen, SP und Grünen auf den konsequenten Systemwechsel mit dem fast vollständigen Wegfall der Abzugsfähigkeiten. Mittlerweile haben SP und Grüne die Nein-Parole beschlossen, die Grünliberalen entschieden sich für Stimmfreigabe.
Maximalforderungen aufstellen
Dafür schlossen sich auf der anderen Ratsseite die Reihen. Die FDP und die SVP wollten ursprünglich deutlich weiter gehen. Trotz Wegfall des Eigenmietwerts sollten Schuldzinsen zumindest teilweise weiter abgezogen werden. Auch der Hauseigentümerverband, der sich nun mit einer Millionenkampagne für die Abschaffung einsetzt, präferierte Varianten, bei denen etwa Zweitwohnungen ausgeklammert und dafür Hypozinsen weiter zum Abzug gebracht werden könnten. Unter anderem sei die neue Lösung«administrativ äusserst aufwendig».
Auch das gehört zum politischen Spiel: Maximalforderungen aufstellen und so einen Kompromiss erhalten.
Spannend an der jetzt vorliegenden Variante ist, dass unter Umständen genau jene Kreise, die nun das Ansinnen ablehnen, die Vorlage überhaupt erst mehrheitsfähig gemacht haben. Hätten sich die bürgerlichen Kräfte durchgesetzt und die Abzugsmöglichkeiten behalten, wäre es an der Urne deutlich schwieriger geworden –die Steuerausfälle wären noch grösser ausgefallen. Und wären die Zweitwohnungen ausgeklammert worden, so gäbe es verfassungsrechtliche Bedenken. Beides Einwände, die der Gegnerschaft zusätzlichen Auftrieb bei einer Abstimmung verschafft hätten.
Plötzlich ein «gangbarer Weg»
Der Positionsabtausch hat bereits auf den letzten Metern der Parlamentsdebatte eingesetzt. Während sich die Linken von «ihrem» Kompromiss abwandten, stimmten die Bürgerlichen genau jener Variante zu, die ihnen vorher zu wenig weit ging. Von einer «einmaligen Chance», sprach etwa Martin Hübscher von der SVP. Er halte den Kompromiss für einen «gangbaren Weg», sagte Beat Walti (FDP).
Bei der SP überwogen dagegen plötzlich «die Probleme, welche die Reform schafft», wie Samuel Bendahan ausführte. Das jetzt sei zwar die «am wenigsten schlechteste Variante», aber sie überzeuge die Sozialdemokratie nicht. Mitte-Nationalrat Markus Ritter gab sich erstaunt, ob dem Sinneswandel: «Wir haben sieben Jahre darauf hingearbeitet, dass wir eine breit abgestützte, mehrheitsfähige Vorlage hinbekommen.» Es brauche «die ganze Breite des Rates», so Ritter. Offensichtlich ohne Erfolg.
Oder wie Jaqueline Badran es formulieren würde: «Es ist eine ambivalente Geschichte.»