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Wieso sich die Aargauer Regierung und die Industrie- und Handelskammer zum EU-Paket bekennen

Die Aargauische Industrie- und Handelskammer steht für das Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU ein. Insgesamt gebe es mehr Vor- als Nachteile, findet der Wirtschaftsverband. Bemerkenswert ist eine Forderung der Regierung zu einer möglichen Abstimmung über die EU-Verträge.

Aargauer Unternehmen stehen für gute Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union ein. Der Vorstand der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK) bekennt sich zum EU-Vertragspaket, wie es in einer Mitteilung vom Mittwoch heisst. Die Handelskammer weist darauf hin, dass gut 51 Prozent der Schweizer Warenexporte in die EU gingen.

Die exportorientierten Aargauer Unternehmen seien auf ein geregeltes Verhältnis zur Europäischen Union angewiesen. Der Wohlstand der Schweiz und des Aargaus hänge stark von der europäischen Wirtschaft ab. «Ohne freien Personenverkehr würde das wirtschaftliche Wachstum der Schweiz stark eingeschränkt und viele Unternehmen in ihrer Existenz bedroht», so der Verband.

Im neuen Vertragspaket entfalle in 20 Sektoren eine zweite Produktekonformitätsprüfung in der EU, dies zum Beispiel bei Maschinen oder Medizinprodukten, schreibt die Handelskammer. Für die betroffenen Unternehmen würde dieser wegfallende Schritt eine bedeutende bürokratische Entlastung zu Gunsten gleich langer Spiesse mit Mitbewerbern in der EU bringen.

EU-Bürokratie und Souveränitätsverlust befürchtet

Sorgen bereitet dem Vorstand der AIHK der mutmasslich höhere Bürokratieaufwand durch die EU-Gesetzgebung – insbesondere in den Bereichen Umwelt- und Konsumentenschutz. «Auch wenn sich die dynamische Rechtsübernahme auf die einzelnen Abkommen beschränkt und die Schweiz Ausnahmen aushandeln konnte, lässt sich diese Befürchtung nicht ganz ausräumen», schreibt der Wirtschaftsverband.

Für einige Aargauer Unternehmerinnen und Unternehmer sei die im Vergleich zur EU als schlanker wahrgenommene Bürokratie der Schweiz eine Qualität, die es zu bewahren gelte. «Ebenso bestehen Ängste vor dem Verlust der Souveränität», heisst es weiter. Auch unter Berücksichtigung dieser Befürchtungen kommt der Vorstand aber zum Schluss, dass die Vorteile überwiegen.

Das Abkommen schaffe Planungssicherheit und stelle eine bewährte Zusammenarbeit auf ein stabiles Fundament. «Dank der vorliegenden Lösung der institutionellen Fragen bekennt sich die Schweiz klar zu Europa», schreibt die AIHK. Zudem könnten einseitige Benachteiligungen wie der Ausschluss aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe künftig beim paritätischen Schiedsgericht eingeklagt werden.

Beat Bechtold, Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer.Bild: zvg / Foto Basler«Das neue Vertragspaket ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem Status quo. Für die exportorientierten Aargauer Unternehmen überwiegen die Vorteile», wird Handelskammer-Direktor Beat Bechtold in der Mitteilung zitiert. Wichtig sei, dass die Wirtschaft früh in Entscheidungen auf europäischer Ebene einbezogen werde. Den weiteren parlamentarischen Prozess begleite die AIHK laufend.

Regierung will kein Ständemehr bei Urnenabstimmung

Auch die Kantone können zuhanden der Konferenz der Kantonsregierungen Stellung zur Beziehung der Schweiz mit der EU nehmen. Bemerkenswert: Der Aarauer Regierungsrat unterstützt die Einschätzung des Bundesrats und ist für ein fakultatives Referendum. Dies würde bedeuten, dass bei einer Volksabstimmung über die EU-Verträge kein Ständemehr notwendig ist.

«Der Regierungsrat unterstützt die Bemühungen des Bundes um eine Stabilisierung und Weiterentwicklung der Beziehungen mit der EU», schreibt der Kanton in seiner Mitteilung. Das Paket schaffe Rechts- und Planungssicherheit in den Austauschbeziehungen mit der EU und sei eine Fortführung der bisher bewährten Praxis, hält die Regierung weiter fest.

Für den Aargau als Grenzkanton mit einer stark exportorientierten Wirtschaft sei ein möglichst hindernisfreier Zugang zum EU-Binnenmarkt von grosser Bedeutung. Einige Anliegen, etwa in den Bereichen Strom und Lebensmittelsicherheit, seien noch offen. Der Regierungsrat erwartet, dass die Kantone in allen weiteren Etappen, also der Umsetzung der Verträge wie auch der Weiterentwicklungen, einbezogen werden.

Durch die Verträge wird in wirtschaftlich guten Jahren ein Anstieg der Zuwanderung aus dem europäischen Raum erwartet. «Die stärkere Belastung der kantonalen Migrationsämter, Sozialdienste und Arbeitsvermittlungsämter soll in der gemeinsamen Stellungnahme der Kantone verdeutlicht werden», heisst es weiter.